Portrait

Asmik Grigorian ist die Sopran-Sensation der Stunde

Asmik Grigorian  | © IMAGO / Future Image
© IMAGO / Future Image
Die Opernsängerin im Portrait.

In jeder Rolle eine moderne Frau: Asmik Grigorian hat nicht nur eine große Stimme, sie gilt auch als begnadete Schauspielerin. 

Ein Weltstar über Nacht

Diese Diva ist anders. Star-Sopranistinnen kennt man mondän. Blass wie der sterbende Schwan mit maskenartigem Make-up. Doch das Kapriziöse geht Asmik Grigorian völlig ab. Stattdessen ein Tattoo am linken Oberarm. Die Salome singt sie mit keckem Bubikopf, beim Fernsehinterview trägt sie blaue Fingernägel, eine schlumpfförmige Beanie und antwortet „Oh fuck!“ auf die Frage, was ihr beim Rollenangebot als Erstes durch den Kopf schoss. Sie ist nie bloß zart schmelzende Hingabe, sondern eine moderne Frau; begehrend, selbstbewusst, auch mal bockig. Callas, Bumbry, Nilsson, Netrebko – die großen Sängerinnen kennt man beim Nachnamen, die Rollen, die sie berühmt machten, haben nur Vornamen. Bei Asmik Grigorian war es die Salome, diese Irrverliebte aus der Richard Strauss-Oper. Noch heute heißt es, wer sie damals gesehen hat, 2018 in Salzburg, sei als anderer Mensch aus der Felsenreitschule herausgekommen.

Ihre Auftritte wirken mühelos

Seither singt Asmik Grigorian, 1981 in Litauen als Tochter zweier berühmter Sänger geboren, auch gegen diesen Druck an, das Wunder von Salzburg wiederholen zu müssen. Bisher ist ihr das jedes Mal geglückt: Im vergangenen Jahr gab es Standing Ovations für ihre Senta im Bayreuther „Fliegenden Holländer“, gerade hat sie mit dem Pianisten Lukas Geniušas ein von der Kritik gefeiertes Album mit Rachmaninow-Romanzen („Dissonance“, Alpha) veröffentlicht, und bei den Salzburger Festspielen 2022 sang sie alle drei Hauptrollen in Puccinis „Trittico“, sämtliche Vorstellungen waren blitzschnell ausverkauft.

Sie ist eine Malocherin, ein „Arbeitstier“, wie sie selbst sagt, doch ihre Auftritte wirken mühelos. In der Kunst ist das oft hart erkauft. Schon mit 21 wurde sie zum ersten Mal Mutter, 2016 dann noch einmal, heute lebt sie, wie sie sagt, „überall und nirgends“, pendelt mit den Kindern und ihrem zweiten Mann, dem russischen Regisseur Wasilij Barchatow, zwischen den großen Opernhäusern der Welt.

Sie ist mit alldem sehr offen. Ihr Spitzname war früher „Prinzessin der Emotionen“, sie nennt sich selbst aber auch „Prinzessin des schlechten Gewissens“, redet über Panikattacken und Betablocker. Der Dokumentarfilm „Fuoco Sacro“ will drei Opernstars das Geheimnis ablauschen, wie es zu dieser Glut, diesem Feuer in der Stimme kommt. Dafür bekommt Asmik Grigorian ihre eigene Arie vorgespielt und soll verraten, was ihr denn beim Singen durch den Kopf geht. Sie schließt die Augen und sagt: „Atme, atme, atme!“ So einfach, so schwer.

Text: Barbara Gärtner