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Zurück zur Lust: Unsere Experten beantworten Ihre Sex-Fragen

SW-Bild von zwei Armen | © Unsplash | David Cohen
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Erektionsstörungen bei ihm, Libidoverlust bei ihr: Fünf DONNA-Experten beschäftigen sich mit Ihren Sex-Problemen und Fragen.

Klar, eigentlich macht Sex Spaß. Aber gerade in der Lebensmitte wandelt sich da eine Menge und man fängt an zu grübeln. Fünf DONNA-Experten haben neue Antworten für Ihre Sexualitäts-Probleme und Fragen – ganz ohne Sex-Toys.

Sex macht (zumindest den meisten) Menschen Freude. Doch vor allem Frauen leiden nach Eintritt der Wechseljahre oder bei Stress oftmals unter Libido-Verlust. Auch eine zunehmende Scheidentrockenheit im Klimakterium macht das einstige Bettvergnügen für viele Betroffene zur unliebsamen Beschäftigung.

9 Fragen, 9 Antworten: Rat von unseren fünf Sex-Experten

Was also ist zu tun? Wie kommt die Lust auch nach einer jahrzehntelangen Beziehung, Alltagsstress oder Menopausen-Leiden zurück? Und wie viel Offenheit über Sex ist bei Freunden ratsam? Mit diesen und weiteren Fragen, die unseren DONNA-Leserinnen auf der Seele brennen, beschäftigen sich unsere fünf Experten:

Ihre Fragen an: Erika Lust, Porno-Produzentin (XConfessions)

Frage 1: Ich habe viel um die Ohren, immer öfter fehlt mir die Lust auf Sex. Wie kann ich sie wieder „wecken”?

Es sind die unterschiedlichsten Sinneserfahrungen, aus denen Erregung und Inspiration entstehen: erotische Filme, Gedichte, Romane ... Besonders Poesie hat etwas sehr Geheimnisvolles. Sie kann uns an andere Orte führen und die gewohnten Grenzen der Erotik überschreiten. Ich rate also wärmstens, mehr Lyrik zu lesen, weil ich glaube, dass sie das Verlangen steigert. Als Porno-Produzentin muss ich jetzt natürlich auch empfehlen, erotische Filme zu schauen, allein oder mit dem Partner. Wenn sie frauenspezifisch und ethisch produziert sind und Sexualität positiv widerspiegeln, erzeugen sie eine sinnliche Erfahrung, die den Zuschauer sexuell anregt und in Stimmung bringt – versprochen.

Frage 2: Warum mag ich nicht, dass er mich „da unten“ ansieht?

Jeder Frau, die so fühlt, möchte ich entgegenrufen: Liebe deine Schamlippen, liebe deine Vulva! Das Konzept von Schönheit ist ein soziales Konstrukt. Es gibt keine Definition von Schönheit. Schönheit ist genau das, was du schön findest. Nur das. Unsere Gesellschaft hat eine bestimmte Vorstellung davon kultiviert, wie Vaginas aussehen „sollten“. Wenn Männer und Frauen nicht genau diese Form weiblicher Genitalien sehen, denken sie, dass irgendetwas nicht stimmt mit dem, was sie sehen. Die wachsende Popularität der Intimchirurgie zeigt, wie sehr Frauen versuchen, auch „da unten“ einem Ideal zu entsprechen. In meinen Filmen sind Vaginas eng, kompakt und haarlos oder weit, groß und behaart. Es gibt nicht zwei, die gleich aussehen! Wir glauben, dass vermeintliche Standards uns das Selbstbewusstsein geben, nach dem wir uns so sehnen. Aber es ist so eine Befreiung, wenn wir sie endlich loswerden, uns nackt im Spiegel ansehen und uns schön finden. Einfach lieben. Ich arbeite mit vielen Künstlern, die sich mit dem weiblichen Körper beschäftigen – auch, um ihre eigenen Unsicherheiten zu überwinden. Sie hoffen, dass ihre Kunst etwas an der Art und Weise ändern kann, wie wir unseren Körper und besonders die tabubesetzten Genitalien sehen. Es gibt viele inspirierende und mutmachende Projekte, die unsere Perspektive verändern können, wie die Website „Labia Library“ (labialibrary.org.au), die einerseits informiert und andererseits in einer Online-Galerie Bilder unterschiedlichster Vaginas versammelt, um den Mythos des „Normalen“ zu entzaubern. Ein großartiges Projekt! 

Ihre Fragen an: Stefan Ruzas, Paar-Therapeut (Liebling + Schatz) und Autor 

Frage 3: Zärtlichkeit reicht mir zurzeit. Wie sage ich’s ihm, ohne dass er sich zurückgewiesen fühlt?

Die intimsten Formen der menschlichen Kommunikation sind Zärtlichkeit und Sex. Damit wir dabei das bekommen, was uns guttut, brauchen wir die Sprache. Das Blöde ist nur: Es fällt uns oft sehr schwer, über unsere intimen Wünsche zu reden, weil die Kultur der erotischen Sprache unterentwickelt ist. Je länger Partnerschaften dauern, desto mehr ist Erotik eine Frage der Entscheidung und der aktiven Gestaltung. Vor allem, weil sich Intimität und intime Bedürfnisse auch immer wieder verändern – durch den weiblichen Zyklus, die Wechseljahre, durch Konflikte in der Partnerschaft, aber auch durch Lust auf Abwechslung. Deswegen ist es am besten, dem Mann einfach klar zu sagen: „Mir ist gerade mehr nach Zärtlichkeit als nach Sex. Das hat was mit mir und nichts mit dir zu tun.“ Wichtig ist es, bei der Ich-Botschaft zu bleiben.

Frage 4: Bei uns ist Sex gerade kein großes Thema – ist das ein Problem?

Phasen ohne Sex, auch über einen längeren Zeitraum, sind im Laufe unseres Lebens völlig normal. Problematisch wird es erst, wenn einem der Partner auf Dauer etwas fehlt. Und wenn aus dem Mangel Vorwürfe oder Abwertungen entstehen. Krisen, auch in der Sexualität, sind eine Chance für Entwicklung. Lust lässt sich wiederfinden, gerade beim „reifen“ Sex. Voraussetzung ist aber, dass sich beide bewusst entscheiden, sie zu suchen. Auch wenn es unromantisch klingt: Ein erster Schritt kann sein, feste Zeiten für körperliche Begegnung einzuplanen. An Tageszeiten, zu denen sich beide vital fühlen. Auch eine Nacht in einem Hotel am Wohnort kann inspirieren. Nein, Sex muss kein großes Thema sein, aber er schafft Nähe.

Ihre Fragen an: Paula Lambert, Autorin, Moderatorin („Paula kommt”) und Sex-Expertin

Frage 5: Wie offen kann und sollte ich mit Freunden über Sex sprechen?

Wenn es darum geht, bestimmte Problembereiche wie eine Sexflaute oder einen Seitensprung abzustecken, eignen sich Personen, die einem nicht ganz so nahestehen, häufig besser. Flüchtige Bekanntschaften, sogar Begegnungen abends in einer Bar, sind gut für eine neue Draufsicht. Die haben nämlich keine Angst, dass der eigene Lebensschwindel in Sachen Sex in diesem Bereich auffliegt. Probleme hat nun wirklich jeder! Deshalb ist es extrem wichtig, offen zu sprechen, damit wir uns gemeinsam weiterbewegen können. Gerade in Sachen Beziehung und Sexualität ist es ungut, gängigen „So macht man es halt“-Formeln zu folgen. Wie viele Frauen haben keinen Orgasmus! Das darf nicht die Regel bleiben. Redet darüber!

Frage 6: Finden wir uns im Bett nicht mehr aufregend, weil wir uns als Paar zu nah sind?

Sex verändert sich. Er wird einfühlsamer, inniger ... und ja, auch eingespielter, vielleicht sogar träger. Wirkungsvoll ist ein Sexverbot. Das Ganze sollte man sechs Wochen durchhalten. In der ersten Woche wird nur gestreichelt, aber nicht im Intimbereich. In der zweiten wird geküsst, aber nicht gestreichelt. In der dritten wird der Intimbereich mit einbezogen, aber bekleidet. In der vierten können beide nackt sein, aber dürfen sich nicht zum Höhepunkt bringen. In der fünften Woche dürfen sich beide zum Orgasmus bringen, aber nicht penetrieren – das ist erst in der sechsten erlaubt. Nimmst du einem Menschen ein Kuscheltier weg, wird er nichts lieber wollen als genau dieses. Wer in der Partnerschaft jedoch das Gefühl hat, nur noch im Wir zu leben und gar nicht mehr sein Ich zu sein, dem empfehle ich dringend eine Paar-Therapie.

Ihre Frage an: Ann-Marlene Henning, Sexologin (doch-noch.de)

Frage 7: Nach dem Orgasmus lässt bei mir immer schlagartig die Lust nach – ist das normal?

Gegenfrage: Haben Sie vielleicht die feste Idee im Kopf: „Frauen können immer mehrere Orgasmen nacheinander haben“? Solche absoluten Aussagen zur Sexualität sind oft falsch. Jede Frau sollte lieber in sich hineinfühlen und herausfinden, was bei ihr Sache ist. Wenn Sie sich nach einem Orgasmus wie ausgelaugt oder überreizt fühlen, kann die Muskelspannung während der Erregung ein Grund dafür sein. Wir nutzen häufig Druck, um Erregung zu steigern. Im Prinzip ist daran nichts falsch – es funktioniert –, es mindert nur die Durchblutung. Genau die ist aber für weitere Erregung wichtig. Spannen Sie an? Pressen Sie? Wie atmen Sie? Spielen Sie mit Ihren körperlichen Möglichkeiten. Ganz wichtig: Sie gehören schon zu den zwei Dritteln der Frauen, die überhaupt einen Höhepunkt bekommen. Lehnen Sie sich also entspannt zurück und genießen Sie.

Toy Story: Paartherapeut trifft Sextoy-Beraterinnen

Ihre Fragen an: Michele Weiner Davis, Therapeutin und Autorin („Lustlos”, Klett-Cotta) 

Frage 8: Mein Partner hat immer weniger Lust – was kann ich tun, damit sich das ändert?

Sprechen Sie über Ihre Gefühle, Ihre Verletzlichkeit und Traurigkeit, über Ihre Einsamkeit und die Angst, unattraktiv für ihn zu sein. Manchmal verliert ein Mann das Interesse an Sex, wenn einige seiner Grundbedürfnisse in der Beziehung nicht erfüllt werden. Dann fährt er emotional und körperlich runter. Fragen Sie ihn, ob er glücklich in der Beziehung ist. Und ob es irgendetwas gäbe, was ihm das Gefühl von Nähe und Verbundenheit wiedergeben könnte. Auch wenn Sie seine Perspektive nicht teilen, versuchen Sie ihm ein Stück weit seine Wünsche zu erfüllen. Wenn Sie beide zusammen sind, wird er Ihnen körperlich eher entgegenkommen, wenn er sich zufrieden fühlt. Und schließlich: Wenn immer Sie diejenige sind, die ihn zum Sex auffordert, hören Sie für eine Weile auf, die Verführerin zu sein. Seien Sie geduldig. Geben Sie ihm die Chance, wieder die Initiative zu ergreifen. Und während Sie warten, seien Sie liebevoll!

Frage 9: Er hat Erektionsstörungen – kann ich helfen?

Viele Männer haben im Laufe ihres Lebens Schwierigkeiten, eine Erektion zu bekommen oder zu halten. Und Männer im reifen Alter brauchen grundsätzlich mehr Stimulation. Nehmen Sie es also auf keinen Fall persönlich. Schlagen Sie Ihrem Partner lieber vor, zum Arzt zu gehen, um körperliche Ursachen wie chronische Krankheiten, hormonelle Störungen oder Medikamentennebenwirkungen auszuschließen. Oft sind ungelöste Beziehungsthemen 
für Spannungen und Beklemmungen im Schlafzimmer verantwortlich,
darum ist es wichtig, diese Themen zu besprechen und zu lösen –
alleine oder mithilfe eines guten Paar- oder Sexual-Therapeuten. Am wichtigsten aber ist es, verständnisvoll zu bleiben. Ihr Mann fühlt sich gerade wahrscheinlich sehr schlecht und Ihre Frustration oder Ihr Ärger würden das nur noch verstärken. Erinnern Sie sich daran, dass zu einer liebevollen sexuellen Beziehung mehr gehört als nur Geschlechtsverkehr – auch manuelle oder orale Stimulation, kuscheln und küssen. Und wenn Sie sich nach einem Orgasmus sehnen, bitten Sie Ihren Partner, Ihnen diese Freude zu bereiten. Das ist ein wunderbares Geschenk, das Sie beide einander nahebringt.

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