Liebe & Partnerschaft

Kolumne: Denn sie wissen, was sie tun –  vom Glück, spät zu heiraten

Älterer Mann vor dem Traualtar | © Getty Images | Marc Debnam
© Getty Images | Marc Debnam
Mit über 40 (nochmal) vor den Traualtar? Ja, bitte! Unsere Autorin weiß, warum eine späte Hochzeit schöner sein kann als in jungen Jahren.

Heiraten ist nichts für Frauen 40plus? Von wegen! Bei einer späten Hochzeit ist man vielleicht weniger blauäugig – was das Ganze aber genau genommen noch romantischer macht, findet unsere Autorin.

Dieses Album machte mich fertig. Anne hatte es bereits ein Jahr vorm geplanten Hochzeitsdatum angelegt: eine geschmackvolle Kladde, darin Ausrisse aus Magazinen – Frisuren, Blumenschmuck, Tischdeko –, kunstvolle Zeichnungen von Brautkleidern und viele Notizen. Okay: Anne war auf der Modeschule; Moodboards sind ihr Ding. Und doch: Ein so großer Aufwand, eine solch backfischhafte Planungsfreude – das war mir fremd.

Überhaupt hätte ich damals, vor 15 Jahren, noch behauptet, kein Hochzeitsmädchen zu sein. Ich mochte schöne Kleider, Romantik und rauschende Feste. Aber das alles in nur einen Tag packen? Weißes Kleid, Kirche, Tränen vorm Altar? Not my pair of shoes.

Zum ersten Mal heiratete ich aus schönen, aber sachlichen Gründen. Mein Sohn war unterwegs: Ich wusste, dass das Heiraten für seinen zukünftigen Vater dazugehörte. Es schien mir auch angemessener, als Eheleute in der Geburtsstation aufzuschlagen. Wir heirateten an einem sonnigen Herbsttag, ich trug ein dunkelblaues Seidenkleid über dem Sieben‐Monats‐Bauch und einen Vintage‐Fuchs um den Hals. Nach der Trauung gingen wir im kleinen Familienkreis brunchen, dann spazieren, abends aßen wir alle Spaghetti bolo. Es war ein wirklich fröhlicher Tag, wir waren zufrieden. Zumindest dachte ich das lange.

Aber irgendwann, als der Vater meines Sohnes und ich schon zwei Jahre im Guten getrennt waren, meldete sich ein Stimmchen in mir. „Wäre das nicht doch schön gewesen, so eine richtige Hochzeit? Mit allem Drum und Dran?“ Woher kam diese plötzliche Hinwendung zu etwas, das ich jahrelang für Kitsch gehalten hatte? Torschlusspanik mit Mitte 30? Oder lag es an dem Mann, mit dem ich jetzt zusammen und in den ich sehr verliebt war? Allerdings: Er hatte schon einmal geheiratet, rauschend, und null Bedarf, es noch mal zu tun. Ich verstand das – trotzdem blieb dieses große JA in mir stehen.

Es waren zwei Freundinnen, die es im vergangenen Jahr in mir entdeckten, nach ganzen acht Jahren Beziehung mit dem Heiratsverweigerer. „Du würdest“, sagte die eine auf der Fahrt zu unserem alljährlichen Wellness‐Wochenende, „doch auch sofort Ja sagen, wenn N. dich fragt, ob du ihn heiraten willst, oder?“ „Sofort“, antwortete mein Mund für mich und ich registrierte verwundert, wie sich meine Augen mit Tränen füllten. Nicht weil ich traurig war, sondern weil mich meine schnelle Reaktion und die Festigkeit meiner Stimme selbst überraschten. Meine Freundin kommentierte trocken: „Warum fragst DU ihn dann nicht einfach, ob er dich heiraten möchte? Wir leben im Jahr 2017!“ Warum eigentlich war mir das nicht selbst eingefallen?

Anderthalb Wochen später tat ich es, mit enormem Herzklopfen und einem schönen Silberring. Zu meiner riesigen Überraschung sagte N. sofort „Ja“ – und katapultierte uns beide damit auf Wolke sieben. Die ja auch ein kitschiges Klischee ist: Aber, sorry, so war es eben. Was mich fast genauso überraschte wie seine spontane Zustimmung war unsere Harmonie bei der Hochzeitsvorbereitung. Wir können uns leidenschaftlich fetzen – aber plötzlich ging alles wie von selbst. Zum Beispiel der Entschluss, schon im Sommer zu heiraten, oder der Rahmen: eine standesamtliche Trauung in unserem kleinen Dorf, danach ein Gartenfest mit unseren besten Freunden und der Familie.

Schön und festlich sollte es werden, mit gutem Essen und Champagner, Lampions in den Bäumen und Live‐Musik. Aber ohne Perfektionsstreben, weder für uns noch für die Gäste. Kein Dresscode für irgendjemanden: N., der Krawatten fürchtet, würde Hemd, Leinenhose und Chucks tragen, und auch unsere beiden Kinder (seine Tochter und mein Sohn) würden sich ihre Festtagskleidung selbst aussuchen dürfen.

Vermutlich, feixten wir, war es unsere geballte Hochzeitserfahrung, die uns dieses sichere Gefühl bescherte: Das wollen wir – jenes nicht. Wobei das natürlich auch eine Sache der Lebenserfahrung ist. Etwa mein Wissen darum, dass zu viele Leute, die ich nicht so gut kenne, mich nervös machen als Gastgeberin. Also nur unsere engsten Leute und keine „man müsste“‐Einladungen. Dafür Menschen, denen ich stolz zeigen will: „Seht her, das ist der Mann, den ich liebe!“ Menschen, mit denen ich mein Glück teilen kann, auf dass es mehr werde. Keine stille Vernunfthochzeit, weil man ab 40 oder 50 ja nicht mehr so viel Aufhebens machen möchte. Doch, ich möchte, und zwar unbedingt: einen prächtigen Tag, um die Liebe zu feiern.

Mein großer Wunsch war es, auf dieser zweiten, späten Hochzeit wirklich anwesend zu sein; den Tag und die Feier in vollen Zügen genießen zu können. Selbst die Verantwortung für mein Wohlbefinden zu übernehmen, indem ich im Vorfeld Bierbänke schleppte und Blumenväschen füllte – aber für den Hochzeitstag alles Wichtige in die Hände großartiger Freunde übergab.

Das Einzige, womit ich mich peinlicherweise doch ein bisschen stresste, war das Kleid (Hallo, Anne!). Ich schlüpfte in ungezählte Maxi‐ und Abendkleider, probierte Zweiteiler, alle Farben, bestellte wild online – und wurde immer ratloser. Gehen Pailletten als Braut? Konnte ich ärmellos tragen? Einen tiefen Rückenausschnitt? Irgendwann ließ ich eine Schneiderin meine Maße nehmen: Ein Empire‐Kleid aus Seidentaft sollte es sein – bis ich den Kostenvoranschlag bekam. Ob dieser Eitelkeitsausbruch auch etwas mit meinem für eine Braut reiferen Alter zu tun hatte? Was ich an Jugend nicht mehr habe, wollte ich offenbar mit Eleganz und Stil ausgleichen. Umso verrückter war schließlich das Modell meiner Wahl: ein ärmelloses elfenbeinfarbenes Kleid mit Corsage, Spitze und angesetztem Plisseerock von – bitte festhalten – H & M. Dazu meine geliebte Jeansjacke und weiße Chucks: Ich fühlte mich richtig angezogen.

Es wurde rauschend. Wir haben getrunken, getanzt, gelacht, geküsst und vor lauter Rührung und Romantik tatsächlich Tränen vergossen. Vor allem waren wir so relaxed und dankbar, wie es vermutlich nur ein Brautpaar von 42 und 52 Jahren sein kann. Völlig umgehauen hat mich das Gefühl danach. Dass Freunde, Familie und dieses Fest uns in die Ehe getragen haben – und halten.

Locker statt perfekt: Hochzeitsstress vermeiden
 

Autorin: Greta Goldmann