Wenn die Familienplanung noch ungewiss ist oder der passende Partner fehlt, können Frauen ihre Eizellen für eine spätere Schwangerschaft einfrieren lassen. Doch „Social Freezing“ ist umstritten, zumal die Methode Risiken für Mutter und Kind birgt. Alle Infos zu Eizellen-Konservierung und künstlicher Befruchtung.
Was vor einigen Jahren noch nach einer Szene aus einem Science-Fiction-Film klang, ist inzwischen medizinische Realität: Paare mit unerfülltem Kinderwunsch, die in Sachen Familienplanung auf Nummer sicher gehen wollen, oder Frauen, die noch nicht bereit für eine Schwangerschaft sind, lassen Eizellen einfrieren. Durch eine künstliche Befruchtung, zum Beispiel einer In-vitro-Fertilisation, kann der Kinderwunsch so auch noch Jahre später in Erfüllung gehen – wenn die gesundheitlichen Voraussetzungen stimmen. DONNA klärt über Vorgehensweise, Kosten und gesundheitliche Folgen des sogenannten „Social Freezing“ auf.
Mit über 30 schwanger zu werden ist heutzutage kein Ausnahmefall mehr: Viele Frauen möchten zunächst selbstgesteckte Karriereziele erreichen oder haben einfach noch nicht den passenden Partner gefunden, um eine Familie zu gründen. Experten der Reproduktionsmedizin raten Frauen dennoch davon ab, zu lange mit ihrer Entscheidung für oder gegen ein eigenes Kind warten: „Die Chancen einer Patientin, die noch nicht geboren hat, ab 40 schwanger zu werden, liegt bei etwa fünf bis acht Prozent pro Zyklus, bei einer 45-Jährigen vielleicht bei ein bis zwei Prozent“, so Prof. Wolfgang Würfel aus dem Kinderwunschzentrum in München.
Spätestens in der Menopause lässt sich der Kinderwunsch dann auch nicht mehr mit einer künstlichen Befruchtung erfüllen – anders als bei Männern haben Frauen eine von Geburt an begrenzte Anzahl an Eizellen. Sind diese „aufgebraucht“, können keine neuen Eizellen mehr gebildet werden. Immer mehr Frauen in Deutschland ziehen deshalb in Betracht, ihre Eizellen konservieren zu lassen, um Jahre später noch Kinder bekommen zu können – auch dann, wenn die natürliche Fruchtbarkeit nicht mehr gewährleistet ist.
Zur gefragten Methode in der Fertilitätsmedizin hat sich das „Social Freezing“ entwickelt: Dies bedeutet, dass Frauen aus nicht-medizinischen Gründen ihre Eizellen einlagern lassen, um sich den Wunsch nach einer eigenen Familie zu einem späteren Zeitpunkt erfüllen zu können. Die Eizellen werden dabei durch das sogenannte Vitrifikationsverfahren schockgefroren. Obwohl sich dieses Vorgehen in Deutschland zunehmender Beliebtheit erfreut, bleibt das Einfrieren von Eizellen ein kontroverses Thema. Kritiker argumentieren, dass die reproduktionsmedizinische Methode ursprünglich Frauen vorbehalten war, die krankheitsbedingt um ihre Fruchtbarkeit fürchteten – etwa krebskranken Frauen, denen eine Chemotherapie bevorstand. Heutzutage wird das „Social Freezing“ häufiger von völlig gesunden Frauen genutzt, die noch nicht bereit sind, schwanger zu werden oder auf den passenden Partner für die Familiengründung warten. Damit wird die Kryokonservierung – so lautet die medizinische Bezeichnung für das Einfrieren von Eizellen – zunehmend mehr zur Lifestyle-Maßnahme.
Prinzipiell ist das nichts Verwerfliches. Doch durch das Einfrieren von Eizellen in natürliche Körperprozesse einzugreifen, bringt leider keine hundertprozentige Garantie für ein spätes Kinderglück: Die Erfolgschancen der Befruchtung konservierter Eizellen hängen stark von Faktoren wie der Dauer der Lagerung, dem Alter der Patientin und dem Alter der Eizelle ab. In manchen Fällen und je nach Anzahl der konservierten Eizellen kann es vorkommen, dass die Eizellen den Prozess nicht überstehen und die kostspielige Behandlung erfolglos bleibt. Zusätzlich birgt eine Schwangerschaft mit 40plus Risiken für Mutter und Kind, etwa eine Missbildung des Embryos oder eine Frühgeburt.
Frauen, die unter starken hormonellen Schwankungen leiden – etwa durch eine Schilddrüsenerkrankung wie Hashimoto – sollten unbedingt ein ausführliches Beratungsgespräch zur Aufklärung über mögliche Folgen der Hormonbehandlung aufsuchen. Denn als vorbereitende Maßnahme für die Entnahme der Eizellen ist die Einnahme von Hormonpräparaten nötig. Ähnlich wie bei einer künstlichen Befruchtung wird der Körper der Frau vor dem Einfrieren der Eizellen für mehrere Tage hormonell stimuliert, um die Anzahl der Eizellen künstlich zu erhöhen. Diese werden anschließend unter Vollnarkose der Patientin über die Scheide entnommen, durch Zugabe von flüssigem Stickstoff schockgefroren und bei Temperaturen von minus 196 Grad Celsius eingelagert. Sobald sich die Frau für die Befruchtung der eingelagerten Eizellen entscheidet, werden sie aufgetaut, mit den Spermien des Mannes befruchtet und in die Gebärmutter eingesetzt. Für eine realistische Chance, durch eine später erfolgende, künstliche Befruchtung schwanger zu werden, müssen Frauen mindestens 20 gesunde Eizellen konservieren lassen.
Ebenfalls ein Faktor für die erfolgreiche Konservierung der Eizellen ist das Alter der Patientin: Zwar ist eine Frau Anfang oder Mitte zwanzig am fruchtbarsten, zu diesem Zeitpunkt entnommene Eizellen müssen jedoch meist viel länger eingelagert werden, bis sich die Patientin für die Befruchtung entschiedet. Pro Jahr der Einlagerung kommen den Behandlungskosten – also Hormonstimulation, Eizellen-Entnahme und Einfrieren, die zwischen 2.000 und 3.000 Euro liegen – je nach Klinik rund 250 bis 400 Euro hinzu. Entscheidet sich die Frau mit über 30 doch gegen eine eigene Familie, wurden die Eizellen umsonst teuer und aufwändig konserviert. Bislang übernehmen weder private noch gesetzliche Krankenkassen die Kosten.
Ebenso gibt es ein empfohlenes Höchstalter, das Frauen für eine Eizell-Konservierung nicht überschreiten sollten. Denn mit zunehmendem Alter der Frau nimmt die Zellgesundheit ab. Die Anzahl der Eizellen einer 40-Jährigen hat sich oftmals so reduziert, dass nicht mehr ausreichend gesunde Eizellen für das „Social Freezing“ vorhanden sind. Die verbliebenen Eizellen sind zudem häufig unbrauchbar und reagieren nicht auf eine Befruchtung. Auch das Risiko für Chromosomenstörungen nimmt bei Frauen ab 40 verstärkt zu. Als ideales Alter, um Eizellen für die Einfrierung entnehmen zu lassen, empfehlen Reproduktionsmediziner Anfang 30 bis 35. In dieser Lebensphase sind die Eizellen meist immer noch überwiegend gesund. Außerdem hat die Patientin eine größere Gewissheit, dass sie sich tatsächlich für das Gründen einer eigenen Familie entscheiden wird.
Obwohl die medizinischen Risiken der Behandlung für die Frau relativ gering sind, können Komplikationen bei der Hormon-Stimulation oder Entnahme der Eizellen nicht ausgeschlossen werden. Dies ist vor allem für Frauen mit gynäkologischen Vorerkrankungen ein Aspekt, der in die Entscheidung für oder gegen ein „Social Freezing“ miteinfließen sollte. Ebenso bedeutsam sind die psychologischen Auswirkungen im Falle einer erfolglosen Behandlung mit aufgetauten Eizellen – aktuellen Studien zufolge überstehen aber immerhin rund 80 Prozent der Zellen den Konservierungsprozess.
Dennoch sind es rund 20 Prozent Eizellen, die das Einfrieren und Auftauen nicht unbeschadet überstehen oder gar nicht erst befruchtbar sind. Der unerfüllte Kinderwunsch an sich stellt meist schon eine große psychische Belastung für Paare dar. Setzen diese dann all ihre Hoffnungen in die konservierten Eizellen, die dann nicht künstlich befruchtet werden können, kan das zu einer Verschlimmerung des mentalen Zustandes führen. Wenn Sie einen Partner haben, sollten Sie deshalb unbedingt gemeinsam mit ihm erwägen, ob Sie das Risiko einer erfolglosen Eizellen-Konservierung in Kauf nehmen wollen.
Auch gesundheitliche Schäden des Babys durch „Social Freezing“, etwa Missbildungen infolge des Einfrierens und Wiederauftauens der Eizelle, können bei dieser verhältnismäßig neuen Methode der Reproduktionsmedizin nicht vollständig ausgeschlossen werden. Um mehr Gewissheit zu erhalten, ob die Konservierung negative Auswirkungen auf die Zellgesundheit hat, muss das „Social Freezing“ häufiger angewendet werden – in Deutschland haben nach aktuellen Schätzungen erst rund 500 Frauen ihre Eizellen konservieren lassen.
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