Ratgeber

Wer hat Angst vorm Krankenhaus?

Frau springt im Bett | © Henrik Sorensen, Getty Images
© Henrik Sorensen, Getty Images
Freudensprünge sind eher selten zu beobachten im Krankenhaus, eine positive Einstellung hilft jedoch gegen Ängste.

Panik vor dem Krankenhaus und Operationen ist keine Seltenheit. Hier kommen Fakten und Experten-Tipps gegen die Angst, die aufklären und beruhigen.

Allein dieser Geruch nach Desinfektionsmittel, die langen Gänge, der Gedanke an Kanülen und Skalpelle: Kaum ein Ort macht Menschen so viel Angst wie das Krankenhaus. Laut repräsentativer Umfrage des Klinikverbundes Asklepios fürchten sich 65 Prozent der Deutschen vor einer Ansteckung durch Keime, 49 Prozent halten ärztliche Behandlungsfehler für möglich und 33 Prozent machen sich Sorgen über drohende Komplikationen nach einer Operation. Pfeifend spaziert also wohl kaum jemand in Richtung Klinikpforte.

Im Krankenhaus kommen Urängste hoch

„Die Angst vor dem Krankenhaus ist etwas völlig Natürliches“, bestätigt die Diplom-Psychologin Silke Haase aus Berlin, die unter anderem chronisch Kranke und Traumapatienten betreut. „Schließlich bedeutet ein Klinikaufenthalt den totalen Kontrollverlust, man muss buchstäblich sein Leben in fremde Hände geben.“ Ähnlich formuliert es Anästhesist Dr. Holger Sauer, der im Klinikum Westfalen das Projekt „Angstfreier Operationssaal“ ins Leben gerufen hat: „Ein Eingriff geht ja tatsächlich unter die Haut, die körperliche Unversehrtheit wird verletzt. Da kommen Urängste hoch.“ Wie gut, dass es heute Maßnahmen gibt, die diese Gefühle erträglicher machen.

Krankenhaus-Aufenthalt: Angst vor Behandlungsfehlern

Von wegen Götter in Weiß: Da Mediziner eben auch nur Menschen sind, kann natürlich mal was schiefgehen. Im Jahr 2015 prüften die Medizinischen Dienste der Krankenversicherungen 14 828 Behandlungsfehlervorwürfe, in 4046 Fällen bestätigte sich der Verdacht. Ein überschaubares Risiko, wenn man diese Angabe auf rund 16 Millionen Operationen jährlich in ganz Deutschland bezieht, nämlich verschwindende 0,025 Prozent. Mehr Sicherheit gibt ein Informationsgespräch vor dem Eingriff mit dem behandelnden Arzt. Da darf man ruhig direkt sein. „Verlangen Sie aussagekräftige Zahlen: Bei wie vielen Patienten von tausend gab es in der Vergangenheit bei diesem Eingriff Komplikationen? Wie oft hat der Chirurg die OP schon durchgeführt?“, rät Hausarzt Dr. Gunter Frank aus Heidelberg, der den Ratgeber „Fragen Sie Ihren Arzt – aber richtig!“ verfasst hat.

Gruselgeschichten von Verwechslungen – sei es, dass der falsche Patient oder das falsche Knie operiert wurde – hat man leider trotzdem im Hinterkopf. Kliniken versuchen natürlich, diese Gefahr zu minimieren, etwa, indem sie Armbänder mit Namen nutzen oder das Operationsteam vor der OP gemeinsam Checklisten durchgehen muss. Aber auch die Aufmerksamkeit des Patienten ist gefragt: „Sprechen Sie alles an, was Ihnen merkwürdig vorkommt“, meint Patientenberaterin Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen. „Und es klingt banal, aber stellen Sie sich kurz vor der Operation ruhig noch mal mit Namen und Geburtsdatum vor und sagen Sie, was bei Ihnen gemacht werden soll.“

Hochsensibilität erkennen: Symptome und Erfahrungen

Angstfrei ins Krankenhaus: Neue Methoden

Neben diesen Info-Basics gibt es spannende neue Konzepte, wie man Operationen ihren Schrecken nehmen kann – sowohl aus der Psychologie als auch der Medizin. Da ist zum Beispiel die Idee von Holger Sauer namens „Angstfreier Operationssaal“: „Wir gehen davon aus, dass sich die natürliche Stressreaktion vor einem Eingriff selbst nach umfassender Aufklärung nicht komplett vermeiden lässt. Aber man kann etwas dagegensetzen, indem man zum Ausgleich positive Sinneserfahrungen anbietet.“

Ob Massagesessel, geführte Fantasiereisen per Kopfhörer oder eine 3-D-Dokumentation über die Tierwelt Afrikas, die mittels Videobrille gezeigt wird – es gibt zahlreiche Möglichkeiten, den Patienten von der beängstigenden Situation abzulenken und dadurch zu beruhigen. Bis sich diese technischen Neuerungen deutschlandweit durchsetzen werden, kann man das Prinzip in Eigenregie nutzen und die Wartezeit vor der OP etwa mit entspannender Musik oder einer Traumreisen-CD, mit Filmen oder Rätseln füllen.

Urangst im Krankenhaus: Angst vor Keimen

Keine ganz unberechtigte Sorge. Mediziner gehen deutschlandweit von circa 500 000 Infektionen jährlich im Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung aus, rund 15 000 Betroffene sterben sogar pro Jahr an den Folgen. Vor allem multiresistente Keime in Kliniken gelten als Bedrohung, da sie auf Antibiotika kaum noch oder gar nicht ansprechen und so häufig einen schweren Krankheitsverlauf mit sich bringen.

Wichtig zu wissen ist aber: Nur etwa sechs Prozent aller Infektionen bei Klinikpatienten werden nach Ergebnissen des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Charité Berlin durch multi-resistente Erreger hervorgerufen. Die Mehrzahl der Infektionen entsteht, wenn eigentlich ungefährliche Haut- oder Darmkeime in eine offene Wunde oder Katheteröffnung gelangen. Und die meisten Keime werden über die Hände übertragen, was man durch Seife, Wasser und Desinfektion eindämmen kann. Barfuß auf dem Klinikflur zu laufen, sollte man vermeiden, Fernbedienung, Nachtschränkchen und Tisch ruhig noch mal selbst desinfizieren. „Erkundigen Sie sich schon bei der Wahl der Klinik, welche Hygienemaßnahmen ergriffen werden, wie das Pflegepersonal geschult wird und ob Risikopatienten standardmäßig auf multiresistente Keime getestet werden“, empfiehlt Daniela Hubloher.

OP-Panik: Angst vor der Narkose

Durch Medikamente das Bewusstsein verlieren – diese Vorstellung versetzt wahrscheinlich jeden in Panik. „Dabei sind Narkosezwischenfälle wirklich äußerst selten. Wir können heute die Mittel sehr genau dosieren, überwachen den Patienten kontinuierlich und sind in der Lage, sofort zu reagieren, falls es Auffälligkeiten gibt“, beruhigt Prof. Grietje Beck, Direktorin der Dr.-Horst-Schmidt-Klinik für Anästhesie, Rettungsmedizin und Schmerztherapie in Wiesbaden. Beim sogenannten Monitoring werden durchgehend Blutdruck, Puls, Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung gemessen; bei längeren Eingriffen auch die Hirnströme und muskuläre Reaktionen. „Dadurch sehen wir sofort, wann wir beispielsweise eine Narkose vertiefen müssen“, so die Ärztin.

Das gefürchtete Erwachen während einer OP, in der Fachsprache Awareness genannt, kommt nur in Ausnahmefällen vor. „Selten berichten Patienten hinterher von Gesprächsfetzen, die sie wahrgenommen haben“, erzählt die Anästhesistin. „Schmerz würde man aber selbst beim Erwachen nicht spüren, die Schmerzausschaltung läuft parallel über andere Wirkstoffe.“ Nicht immer ist eine Vollnarkose nötig, manchmal kommen auch Teilnarkosen oder Dämmerschlaf infrage. Am besten erkundigt man sich nach allen Möglichkeiten. Vor allem ältere Patienten sollten wissen, dass als Komplikation einer Anästhesie vorübergehende geistige Einschränkungen möglich sind – von leichten Wortfindungs- oder Gedächtnisstörungen bis hin zum postoperativen Delir bzw. Durchgangssyndrom, das oft erst einige Tage nach dem Eingriff auftritt und beim Betroffenen Orientierungslosigkeit und Wahrnehmungsstörungen auslösen kann. Rechtzeitig erkannt helfen psychologische und medizinische Maßnahmen, diese Komplikationen in den Griff zu kriegen.

Krankenhaus-Anfänger: Angst vor Unerfahrenheit

Nicht überraschend, dass sich die meisten Patienten einen Chirurgen oder eine Chirurgin mit jahrzehntelanger Erfahrung und väterlich- bzw. mütterlich-beruhigender Ausstrahlung wünschen. Wird dann doch der junge Assistenzarzt als Operateur vorgestellt, muss man das üblicherweise akzeptieren. „Einen Anspruch auf Chefarztbehandlung haben gesetzlich Versicherte nicht, sie müssen rechtlich gesehen lediglich von einem geeigneten Arzt behandelt werden“, erklärt Patientenberaterin Daniela Hubloher. „Vorsicht geboten ist bei Wahlleistungsvereinbarungen, die Sie in Kliniken teilweise angeboten bekommen. Sobald Sie unterschrieben haben, operiert Sie zwar der Chefarzt auf Privatrechnung, aber es können enorm hohe Ausgaben entstehen.

Dank der sogenannten Wahlarztkette dürfen alle am Eingriff beteiligten Ärzte, auch Anästhesist oder Radiologe, privat abrechnen und Sie sitzen schnell auf Kosten von mehreren Tausend Euro.“ Private Zusatzversicherungen sind grundsätzlich empfehlenswert, aber nur, wenn keine Vorerkrankungen bestehen. Die Verbraucherzentralen beraten zu jeweiligen Vorgaben und Tarifen, die von monatlich rund 20 bis 100 Euro reichen. Wer am Ende doch mit dem Assistenzarzt vorliebnehmen muss, darf aber beruhigt sein: Grundsätzlich überwacht ein Oberarzt die Operation. Daher besteht kaum das Risiko eines Anfängerfehlers.

Krankenhaus-Wahl: Angst vor der falschen Klinik

Viele sorgen sich auch, in der falschen, nicht in ihrem Krankheitsbild erfahrenen oder dafür ausgestatteten Klinik behandelt zu werden. Dazu muss man wissen: Ganz nach Belieben lässt sich die Klinikwahl leider nicht treffen. Eine Behandlung im „nächstgelegenen geeigneten“ Krankenhaus steht gesetzlich Versicherten zu, so die Formulierung im Sozialgesetzbuch. „Das bedeutet aber glücklicherweise nicht, dass Sie verpflichtet sind, eine komplizierte Herzoperation im kleinen Provinzkrankenhaus in Wohnortnähe vornehmen zu lassen“, relativiert Daniela Hubloher. „Die Krankenkassen gewähren Spielraum, und wenn man die Entscheidung für eine bestimmte Klinik, die weiter weg liegt, gut begründen kann, übernehmen sie in der Regel die Behandlungskosten. Anfahrtskosten muss man selbst tragen.“

Einen guten Überblick bietet die Weiße Liste (weisse-liste.de): Über die Suchfunktion findet man Kliniken im Umkreis, die auf das jeweilige medizinische Problem ausgerichtet sind oder bestimmte Eingriffe häufig durchführen.

Klinik als Goldgrube: Angst vor unnötigen Eingriffen

Keine Frage, an OPs wird viel Geld verdient. Nach einer Studie des Hamburger Center for Health Economics und der TU Berlin von 2014 stieg vor allem die Rate besonders teurer Eingriffe in den letzten Jahren stark an, was weder durch die Alterung der Gesellschaft noch durch größeren Behandlungsbedarf zu erklären ist. Doch kann ich als Laie überhaupt einschätzen, ob eine Operation sein muss? „Erkundigen Sie sich beim Arzt Ihres Vertrauens: Was passiert denn, wenn ich mich nicht operieren lasse? Gibt es Studien, wie es Patienten mit der gleichen Erkrankung ergangen ist, die einer Operation zugestimmt haben beziehungsweise darauf verzichtet haben?“, empfiehlt Hausarzt Gunter Frank.

Oft zeigt sich, dass konservative Therapien eine Alternative sein können. Auch eine ärztliche Zweitmeinung hilft, auf die haben Sie einen rechtlichen Anspruch. „Vermeiden Sie einen wichtigen Eingriff allerdings gegen den Rat des Arztes aus reiner Angst, sollten Sie sich therapeutische Unterstützung holen“, gibt Psychologin Silke Haase zu bedenken. „Sonst gefährden Sie Ihre Gesundheit und landen womöglich irgendwann als Notfall in der Klinik.“

Unliebsame Bett-Nachbarn: Angst vor nervigen Mitpatienten

Lautes Schnarchen, ein nicht abreißender Besucherstrom: Zimmernachbarn können einem den letzten Nerv rauben. Was hilft: schalldichte Kopfhörer, Ohrstöpsel, klare Ansagen und Regeln. Falls der Bettnachbar auf stur schaltet, kann zur Not das Pflegepersonal vermitteln. „Anspruch auf ein Einbettzimmer haben gesetzlich Versicherte nur dann, wenn es medizinisch notwendig ist, etwa wegen Infektionsgefahr“, erklärt Daniela Hubloher. „Oder, wenn es im Katalog der gewählten Zusatzversicherung enthalten ist.“ Geht es nur um einen kurzen stationären Aufenthalt, kann es auch mal sinnvoll sein, den Zuschlag für ein Einbettzimmer selbst zu übernehmen. Dabei fallen je nach Klinik zwischen 40 und 100 Euro pro Tag an.

Checkliste: Wichtige Vorsorgeuntersuchungen ab 40