Auch im Jahr 2024 gibt es noch einige Stolpersteine auf dem Weg zur Gleichberechtigung zu überwinden. Einer dieser Stolpersteine stellt das Thema „Mental Load“ dar. Gemeint sind unsichtbare Aufgaben, die Frauen im privaten Alltag erledigen. Eine To-Do-Liste im Kopf, die niemals pausiert und dazu führt, dass man sich zunehmend überfordert fühlt. Warum Mental Load vor allem Frauen betrifft - und was man dagegen tun kann.
„Wir brauchen noch ein Geburtstagsgeschenk für Lara.“ „Hoffentlich hat Marc daran gedacht, das Auto zur Werkstatt zu bringen…“ „Ich muss auf dem Heimweg noch neues Hundefutter besorgen“…
Es sind Gedanken wie diese, die man als „Mental Load“ bezeichnet. Übersetzt bedeutet der Begriff soviel wie „mentale Belastung". Es geht um organisatorische Aufgaben, die nicht sichtbar sind und im Hintergrund ablaufen: Optionen abwägen, Entscheidungen treffen, an Erledigungen denken, für den*die Partner*in und das Kind mitdenken … eine endlose To-Do-Liste im Kopf, die auf Dauer stresst und frustriert.
Autorin und Psychologin Patricia Cammarata hat mit ihrem 2020 erschienenen Buch „Raus aus der Mental Load Falle“ das Thema mehr in den Fokus gerückt. In ihrem Werk machte sie deutlich: Der größte Teil der mentalen Denkarbeit bleibt an Frauen hängen. Sie werden zu den Projektmanagerinnen im Alltag, die nicht nur im Job, sondern auch zu Hause permanent an alles denken und die Verantwortung übernehmen müssen. An den Partner werden nur Aufgaben delegiert, man selbst muss aber den Überblick behalten. Besonders häufig tritt dieses Phänomen in Familien mit Kindern auf, aber auch in Beziehungen ohne Kindern ist Mental Load ein Thema. Immer mehr Frauen fühlen sich ausgelaugt und überfordert durch eine zu hohe mentale Belastung. Kurz: Mental Load ist eine versteckte Ungleichheit, die viele Frauen ins Burnout treibt.
Als Beispiel für Mental Load wird häufig ein Kindergeburtstag herangezogen. Diese sind mit viel mentaler Denkarbeit verbunden:
Wie kommt das Kind zur Feier? Wer holt es wieder ab?
Hat das Kind überhaupt Zeit am genannten Datum? Müssen eventuell Sportkurse abgesagt werden?
Ein Geschenk für die Feier muss organisiert werden.
Das Geschenk muss eingepackt werden. Ist noch Geschenkpapier da?
Wenn der Vater des Kindes beauftragt wird, das Geschenk zu besorgen, denkt dieser, seine Pflicht erledigt zu haben. Kommt es dann zum Streit, weil die Frau genervt ist und an alles andere denken musste, löst das häufig Unverständnis auf Seiten des Mannes aus. Schließlich ist Mental Load nichts, was man sehen kann, wie etwa Hausarbeit. Es sind Aufgaben, die im Stillen erledigt werden. Genau das macht Mental Load so gefährlich.
Woran liegt es, dass Frauen mehr von dem Phänomen betroffen sind als Männer? Ein Hauptgrund ist die Sozialisation. Frauen bzw. Mädchen wurden dazu erzogen, den fürsorglichen Part in einer Beziehung zu übernehmen, während es die Aufgabe der Männer war, Geld zu verdienen. Diese Rollenverteilung aus der Vergangenheit ist manchmal noch stärker in unseren Köpfen verankert als uns lieb ist. Bleiben Frauen nach der Geburt zu Hause und die Männer gehen arbeiten, rutschen viele Paare unbewusst in die alten Rollenmuster zurück.
Ähnlich verhält es sich auch mit den sogenannten „Care Aufgaben“ wie Wäsche waschen oder Putzen. Im Durchschnitt gehen Frauen noch immer mehr Care-Aufgaben nach als Männern – Stichwort „Gender Care Gap“. Der Unterschied zum Thema Mental Load: Während man die Hausarbeit klar aufteilen kann, ist das bei mentaler Denkarbeit nur schwer möglich. Was ist also die Lösung?
Transparenz schaffen: Zunächst einmal ist es wichtig, die unsichtbaren Aufgaben innerhalb der Beziehung „sichtbar“ werden zu lassen. Dazu werden alle To-Dos, die täglich, wöchentlich und monatlich anfallen, aufgeschrieben. Das mag kleinlich wirken, schafft aber Transparenz und hilft dem Partner dabei, zu verstehen, wie hoch der Mental Load ist. In einem nächsten Schritt geht es darum, die Aufgaben klar zu verteilen und festzulegen, wer dafür zuständig ist. Wichtig: Nicht nur die Aufgaben aufteilen, sondern auch die Prozesse dahinter. Wenn der Mann künftig für das Mittagessen der Kinder zuständig ist, dann gehört dazu nicht nur das Schmieren der Pausenbrote, sondern auch: Brotdose aus dem Schulranzen holen, abspülen, Geld für die Mittagspause mitgeben und so weiter ...
Wochentermin zur Planung: Vor dem Wochenbeginn (zum Beispiel jeden Sonntagabend) kann es sinnvoll sein, alle anstehenden Erledigungen und Aufgaben durchzugehen und zu verteilen. Wer kümmert sich um den Wocheneinkauf? Wer bringt das Kind zum Zahnarzt? Den Wochenplan pinnt man an den Kühlschrank, sodass jeder den Überblick behält.
Perfektionismus ablegen: Frauen sind oftmals perfektionistischer als Männer, wenn es um die Alltagsplanung geht. Hier sollte man einmal selbst reflektieren: Muss es wirklich der selbstgebackene Kuchen für die Kita sein oder reicht auch die Backmischung? Muss man wirklich den Tisch mit Kerzen dekorieren und eine Spotify-Playlist erstellen, wenn Gäste zu Besuch kommen? Seinen Perfektionismus abzulegen, ist leichter gesagt als getan. Aber die freigewordene Zeit, die man dadurch gewinnt, ist Gold wert und schützt die eigene mentale Gesundheit.
Verantwortung abgeben: Den meisten Frauen fällt es nicht leicht, Verantwortung abzugeben und das To-Do gedanklich aus dem Kopf zu streichen. Man ist dazu geneigt, noch schnell eine Erinnerungs-WhatsApp an den Liebsten zu schicken - anstatt darauf zu vertrauen, dass er sich schon kümmert. Und wenn nicht, geht die Welt davon auch nicht unter.