Ursachen, Folgen, Behandlung

Schlafapnoe: Wenn der Atem Pause macht

Schlechter Schlaf und häufiges Aufwachen können auf nächtliche Atemaussetzer hinweisen. Wir klären weitere Ursachen und geeignete Behandlungsmethoden. | © OJO IMAGES GETTY IMAGES
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Schlechter Schlaf und häufiges Aufwachen können auf nächtliche Atemaussetzer hinweisen. Wir klären weitere Ursachen und geeignete Behandlungsmethoden.

Rund sechs Millionen Deutsche leiden unter nächtlichen Atemaussetzern, auch Schlafapnoe genannt, schätzen Experten – und viele Betroffene wissen nichts davon. Dabei wäre die Diagnose wirklich wichtig. Lesen Sie, welche Ursachen Schlafapnoe hat und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.

„Heute Nacht dachte ich wirklich, du erstickst! Manchmal hast du einfach aufgehört zu atmen.“ Mit diesen Worten wurde Barbara Butzmann morgens von ihrer besorgten Schwester geweckt, als sie sich zur Feier ihres 50. Geburtstags ein Wellnesswochenende gegönnt hatte und die Geschwister ein Hotelzimmer teilten. Sie selbst hatte davon bislang nichts mitbekommen. Aber schon seit mehr als 20 Jahren schlief die Sachbearbeiterin aus dem bayerischen Pfaffenhofen unruhig, schreckte 20‐ bis 30‐mal pro Nacht hoch. Tagsüber fühlte sie sich kaum erholt und nach einem normalen Arbeitstag hundemüde. „Aber erst die Beobachtung meiner Schwester brachte mich dazu, der Sache endlich auf den Grund zu gehen“, sagt die heute 57‐Jährige.

Ursachen und Folgen der Schlafapnoe

Während bei Gesunden die Atemwege im Schlaf frei bleiben, kommt es bei Schlafapnoe‐Patienten zu einer Blockade: Die Muskulatur im Rachenraum erschlafft, beim Einatmen entsteht ein Unterdruck, die Atemluft kann nicht mehr zur Lunge strömen. Vor dem Ersticken muss man sich allerdings nicht fürchten. Der Körper schlägt nach einer Weile Alarm und weckt den Betroffenen bei längeren Atempausen durch die Ausschüttung von Stresshormonen.

„Trotzdem stellt die Schlafapnoe eine schwere körperliche und psychische Belastung dar“, erklärt Dr. Martina Neddermann, Leitende Oberärztin des Schlafzentrums Ruhrgebiet im EVK Herne. „Nach länger andauernden Atemaussetzern schnellt der Blutdruck in die Höhe und es entsteht ein Sauerstoffmangel im Blut. Das belastet das Herz‐Kreislauf‐System auf Dauer besonders stark.“ Forscher gehen von einem zwei‐ bis dreifach erhöhten Risiko für Schlaganfälle aus, wenn die Schlafapnoe unbehandelt bleibt. „Hinzu kommt die mangelnde Erholung durch das häufige Aufwachen“, ergänzt Dr. Neddermann. „Viele Patienten fühlen sich tagsüber völlig zerschlagen.“ Ein gefährlicher Sekundenschlaf am Tag ist nicht selten die Folge.

Nach Schätzungen sind Apnoiker vier‐ bis siebenmal häufiger in Verkehrsunfälle verwickelt. Auch Barbara Butzmann nickte einmal morgens auf dem Weg zur Arbeit am Steuer ein – zum Glück passierte nichts. „Die für die Erkrankung typische Tagesmüdigkeit erlebte ich meist erst nach Feierabend“, erinnert sie sich. „Meine Arbeitstage im Kundendienst sind ziemlich hektisch, da drückte ich die Erschöpfung ganz gut weg. Aber sobald ich zu Hause auf der Couch saß, schlief ich ein und schaffte es vor Erschöpfung kaum noch, etwas zu Abend zu essen.“

Die Ursachen: Übergewicht, Menopause und Schnarchen

Lange Zeit galt Schlafapnoe als männliches Problem, da die Atemaussetzer oft in Verbindung mit starkem Schnarchen stehen und Männer allein durch ihre Körpermasse und die spezifische Fettverteilung häufiger schnarchen als Frauen. Weil sich Körperfett bei Männern oft am Hals und im Oberkörperbereich ablagert, verengt das den Luftweg. „Noch immer machen übergewichtige, schnarchende Männer rund 80 Prozent der Patienten aus. Aber in den letzten Jahren sehen wir auch bei den Frauen eine Steigerung“, berichtet Dr. Christoph Schenk, Leiter des Ambulanten Schlafzentrums Osnabrück. „Im höheren Alter, vor allem nach der Menopause, steigt die Wahrscheinlichkeit nächtlicher Atemaussetzer bei Frauen deutlich an. Man vermutet einen Zusammenhang mit dem veränderten Hormonspiegel, der den Muskeltonus generell herabsetzt und so ein Erschlaffen des Gewebes auch im Rachenraum begünstigt.“

Da Barbara Butzmann schon als junge Frau über schlechte Schlafqualität klagte, scheint bei ihr kein Zusammenhang mit den Wechseljahren zu bestehen. Und weil sie seit Längerem alleinstehend ist, machte sie bis zur Hotelübernachtung mit ihrer Schwester auch niemand auf Schnarchgeräusche oder Atempausen aufmerksam. „Nahezu alle Männer, die zur Untersuchung zu mir kommen, wurden von ihren Frauen dazu gedrängt, weil die den leichteren Schlaf haben und das Schnarchen und das Nach‐Luft‐Schnappen nicht mehr ertragen“, berichtet Dr. Neddermann. „Möglicherweise wird bei Frauen auch deshalb seltener Schlafapnoe diagnostiziert, weil ihr Partner die Symptome schlicht verschläft. Und weibliche Schlafstörungen oder Tagesmüdigkeit schieben Ärzte mitunter mal auf generelle Stressbelastung oder auch Wechseljahresbeschwerden, ohne die Ursache genauer zu hinterfragen.“

Die Folge: Atemaussetzer von bis zu 1,5 Minuten

Barbara Butzmann hatte das Glück, dass die Sorge ihrer Schwester sie schließlich zum Neurologen führte. Nach einer Voruntersuchung wurde sie ins Schlaflabor überwiesen und dort zwei Nächte lang rundum verkabelt überwacht. Messinstrumente zeichneten unter anderem Blutdruck, Sauerstoffsättigung, Herz‐ und Atemfrequenz auf. „Trainieren Sie heimlich für eine Karriere als Tiefseetaucherin?“, kommentierte der behandelnde Arzt etwas salopp die Auswertung ihrer hochfrequenten Atemaussetzer, die bis zu anderthalb Minuten andauerten.

„Das war ein Schreck, aber endlich eine Erklärung für mein häufiges Aufwachen“, sagt Barbara Butzmann. Durch Länge und Anzahl der Atempausen zählt ihr Fall zu den eher schweren Ausprägungen. „Aber nicht jeder Mensch mit Schlafapnoe spürt Symptome“, stellt Prof. Ingo Fietze, Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Berliner Charité, klar. „Man geht davon aus, dass fast jeder zweite Deutsche im Alter zwischen 20 und 80 Jahren mehr als fünf Atemaussetzer pro Stunde Schlaf erlebt. Behandlungsbedürftig sind nur etwa fünf bis zehn Prozent der Fälle.“

Die Behandlung: Schlafweste, Kieferschiene, Atemmaske

Bei leichten Formen der Schlafapnoe genügt es oft, ein paar Pfunde zu verlieren. Oder mit einer speziellen Weste die nächtliche Rückenlage zu verhindern. Durch ein abgerundetes Schaumstoffpolster im Rückenbereich fördert sie die Seitenlage, in der die Atemwege besser frei gehalten werden. Auch vom Zahnarzt angepasste Protrusionsschienen, die die Position des Unterkiefers leicht verändern, können helfen. „Es gibt zusätzlich die Möglichkeit, Gewebe im Bereich des Gaumenzäpfchens und der Rachenmandeln vom HNO‐Arzt mit Laser entfernen zu lassen“, erklärt Dr. Schenk. „Allerdings hält der Effekt erfahrungsgemäß nur zwei, drei Jahre an.“

Als effektivste Therapie auch bei schweren Ausprägungen hat sich in den letzten Jahren die Überdruckbeatmung per Maske, genannt CPAP für Continuous Positive Airway Pressure, erwiesen. „Dabei trägt der Patient nachts eine Atemmaske, die an einen Kompressor angeschlossen ist. So wird kontinuierlich Luftdruck in die Atemwege abgegeben“, erklärt Dr. Neddermann. Auf diese Weise wird eine Blockade im Rachenraum verhindert.

Klingt für manche vielleicht ungemütlich, doch Barbara Butzmann – die inzwischen seit fünf Jahren mit CPAP‐Maske schläft – schwört auf die Vorteile: „Natürlich braucht man ein paar Tage, bis man sich an diesen Fremdkörper im Gesicht gewöhnt hat, und es sieht auch nicht gerade toll aus. Aber ich genieße meinen ruhigen Schlaf und die Erholung seither dermaßen, dass ich einfach nur dankbar bin!“ Und weil sie weiß, dass das Risiko für Bluthochdruck und andere Herz‐Kreislauf‐Erkrankungen dank CPAP‐Beatmung kontinuierlich sinkt, schreckt es sie auch nicht, die Maske lebenslang tragen zu müssen. „In den ersten Wochen hatte ich viel mit Schnupfen zu kämpfen, da der Luftdruck die Schleimhäute austrocknet. Aber seit ich einen Kompressor mit Luftbefeuchtung nutze, hat sich auch dieses Problem erledigt.“

Schlechter Schlaf oder Schlafapnoe?

Sobald man regelmäßig schlecht erholt aufsteht, nachts häufig wach wird oder der Partner einen auf Schnarchen oder Atemaussetzer aufmerksam macht, sollte man das vom HNO‐Arzt unbedingt abklären lassen. „Wir machen im Schlaflabor rund 3500 Untersuchungen pro Jahr. Beinahe die Hälfte der Patienten ist nicht auf die Überdruckbehandlung angewiesen“, sagt Dr. Schenk. Falls doch, sollte man sich etwas Zeit geben, um die Schlafmaske ganz natürlich in die Abendroutine zu etablieren. Wie Barbara Butzmann: „Das läuft bei mir in der Zwischenzeit so selbstverständlich wie das Zähneputzen“, erzählt sie. „Vor so einer Schlafmaske muss sich niemand fürchten, im Gegenteil: Die Therapie hat mein Leben wieder so viel lebenswerter gemacht.“