Schmerzen im Kiefer

Bruxismus: Das hilft gegen nächtliches Zähneknirschen

Frau mit Schmerzen im Kiefer | © ZINKEVYCH ISTOCK
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Knirscher kauen, beißen und mahlen nachts mit den Zähnen – und wachen am nächsten Morgen meist mit schmerzendem Kiefer auf.

Wenn Ihr Kiefer nach dem Aufstehen spannt und schmerzt, könnte es sein, dass Sie nachts unbewusst mit den Zähnen knirschen. Im Interview klärt Zahnexperte Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, wie schädlich das unbewusste Knirschen wirklich ist – und was man dagegen tun kann.

Sie wachen morgens auf und fühlen sich gar nicht entspannt, die Muskulatur im Kieferbereich schmerzt und fühlt sich steif an – und das beinahe jeden Morgen? Oder Sie leiden sogar an Spannungskopfschmerzen? Dann ist es wahrscheinlich, dass Sie ein Knirscher sind, die Zähne also im Schlaf zusammenpressen und mit starkem Druck aufeinanderschieben und -beißen. Die Auswirkungen dieser unbewussten Zahnaktivitäten, die wissenschaftlich als Bruxismus bezeichnet werden und auch tagsüber stattfinden können, haben es in sich: Die Zähne des Ober- und Unterkiefers werden dabei zum Teil mit dem zehnfachen Gewicht des üblichen Kauvorgangs belastet – mit bis zu 480 Kilogramm pro Quadratzentimeter. Wenn die Angewohnheit zur Regel wird, sind Abnutzungsspuren am Gebiss nur eine der unangenehmen Folgen. Frauen sind von Zähneknirschen übrigens häufiger betroffen als Männer.

Kann Bruxismus zum Problem für die Zahngesundheit werden und wie lässt das Knirschen sich behandeln? Diese Fragen beantwortet Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer im Experteninterview.

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DONNA: Viele Knirscher werden erst dann auf das Problem aufmerksam, wenn ihre Zähne bereits in Mitleidenschaft gezogen wurden. Wie kann man Bruxismus rechtzeitig erkennen?
Prof. Oesterreich: Folgen bzw. Hinweise von Bruxismus sind zuerst an der Zahnhartsubstanz sichtbar. Scharfe Kanten, zum Beispiel an den Schneidezähnen, glattpolierte Flächen an den Zähnen (sogenannte Schliffflächen), Schmelzrisse, aber auch Defekte an Zahnersatz können auf Bruxismus hindeuten. Auch der Zahnhalteapparat kann beeinträchtigt werden. Zudem nimmt die Zahnempfindlichkeit zu und es kann zu Aussprengungen von Zahnhartsubstanz am Zahnhals kommen.

Nächtliches Zähneknirschen führt oftmals dazu, dass sich der Kiefer nach dem Aufwachen steif oder ermüdet anfühlt. Nicht selten werden die Betroffenen aufgrund der hörbaren Geräusche von ihrem Lebenspartner auf das Knirschen aufmerksam gemacht. Bei längerfristigem Bruxismus kommt es zu einer Zunahme der Kaumuskulatur oder sogar zu schmerzhaften Verspannungen. Treten zusätzlich Störungen der Funktion der Kiefergelenkbewegung auf, spricht man von einer Folge des Bruxismus – der craniomandibulären Dysfunktion (CMD).
 
Was sind die Ursachen für Zähneknirschen? Können auch ernste Erkrankungen dahinterstecken?
Das können psychische Belastungen wie übermäßiger Stress sein. Darüber hinaus Atmungsstörungen während des Schlafes, verstärkter Genussmittelgebrauch, etwa Alkohol oder Kaffee, sowie bestimmte Medikamente. Auch Störungen im Zusammenbiss der Zahnreihen können zu einer verstärkten Muskelaktivität der Kiefer führen.
 
Wann endet harmloses Knirschen – und wo beginnt das Krankheitsbild der sogenannten craniomandibulären Dysfunktion (CMD)?
Wenn zusätzlich zu Schmerzen in der Kaumuskulatur auch Störungen in der Kiefergelenkbewegung auftreten. Diese äußern sich zum Beispiel durch eine eingeschränkte Fähigkeit, den Mund zu öffnen. Auch Gelenkgeräusche und Tinitus können in diesem Zusammenhang auftreten. Einen kostenlosen CMD-Selbsttest gibt es im Internet – dieser ersetzt aber keinen Zahnarztbesuch!

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Was passiert, wenn Bruxismus nicht behandelt wird? Können die Zähne im schlimmsten Fall so stark beschädigt werden, dass nur noch Zahnersatz hilft?
Beim Knirschen wird durch Abrieb Zahnhartsubstanz abgetragen. Bei massiven Fällen können dadurch die Ästhetik, die Kaufunktion sowie die Aussprache beeinträchtigt und die Kieferstellung verändert werden. Zudem kann beim Knirschen vorhandener Zahnersatz, etwa Kronen und Brücken, aber auch Zahnfüllungen, beschädigt werden. In extremen Situationen ist eine umfangreiche Zahnersatzbehandlung notwendig.

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Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer. | © BZÄK/LOPATA
Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer.
Foto: BZÄK/LOPATA

Inwiefern hängt Knirschen mit der Psyche bzw. Stress zusammen?
Emotionaler Stress und psychische Anspannung, zum Beispiel Belastungen im familiären Bereich oder am Arbeitsplatz, gelten heute als Hauptursachen für Bruxismus im Wachzustand (Wachbruxismus). Dagegen ist die Ursache für das Knirschen im Schlaf (Schlafbruxismus) nicht abschließend geklärt. Dieser Bruxismus wird im Zusammenhang mit bestimmten Medikamenten, Genussmitteln, Atmungsstörungen und in Verbindung mit Schlaf-Erregungsreaktionen diskutiert.

Kann eine Aufbissschiene bei stressbedingtem Knirschen überhaupt helfen – oder sollte vorrangig der Stressauslöser behandelt werden? Und wie effektiv ist die Therapie mit der Schiene tatsächlich?
Die Therapie sollte immer auf die Ursachen des Bruxismus ausgelegt sein. Sofern also starker Stress im Vordergrund steht, ist eine Psychotherapie oder ein psychologisches Verfahren zur Stressbewältigung sinnvoll. Hier ist eine Zusammenarbeit mit Fachärzten notwendig. Aber auch eine Selbstbeobachtung und damit die mögliche Beeinflussung des Bruxismus ist eine Option. Als dauerhafte Therapie eignen sich harte, individualisierte Aufbissschienen (Okklusionsschienen). Bei Vorliegen einer craniomadibulären Dysfunktion werden weitere Therapieverfahren eingesetzt.

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Gibt es Methoden, um den Kiefer anders zu „konditionieren“ oder der übermäßigen Aktivität durch spezielles Training entgegenzuwirken?
Die sogenannte Selbstbeobachtung zur Bewusstmachung von Knirschphänomenen ist wichtig, um zu erkennen, zu welchem Zeitpunkt man mit den Zähnen knirscht. Dies kann auch mit Hilfe von Geräten geschehen, die durch akustische Signale oder Vibrationen auf die Muskelanspannung hinweisen (Bio-Feedback).
 
Kann das Zähneknirschen von ganz alleine wieder verschwinden?
Wie bei anderen verhaltensbedingten Störungen kommen auch beim Zähneknirschen die unterschiedlichsten Verlaufsformen vor, die von den Ursachen abhängen. Einerseits gibt es Fälle, bei denen Patienten mit dem Knirschen nach dem Ende einer akuten Stressperiode wieder aufhören. Andererseits gibt es auch Fälle, in denen sich die anfängliche „schlechte Angewohnheit“ zu einer schwer beherrschbaren Erkrankung auswächst. Dann kann sie ohne zahnärztliche Hilfe nicht mehr überwunden werden.

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