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Désirée Nosbusch: „Mein Aussehen ist nicht mein Lebensinhalt“

Désirée Nosbuschs lachend in einer braunen Jacke. | © Tristar Media, Getty Images
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Désirée Nosbuschs Lebensgefühl: gelassen und dankbar – man sieht es ihr an.

Désirée Nosbusch erlebte als Moderatorin einen rasanten Aufstieg, machte aber auch die bittere Erfahrung zu fallen. Heute ist sie im Job ebenso wählerisch wie erfolgreich. Und privat: gelassen und dankbar. Das große DONNA-Interview.

Das Handy liegt griffbereit auf dem Tisch. Das solle nicht unhöflich wirken, entschuldigt sich Désirée Nosbusch (geb. 1965), aber sie warte auf eine Nachricht. Gestern erst hat sie ihre Tochter Luka allein in New York zurückgelassen. Die 18-Jährige beginnt an der NYU ihr Filmstudium: Noch hat sie sich nicht gemeldet und gesagt, wie sie die erste Nacht in der neuen, riesigen Stadt überstanden hat. Ob sie sich gut und sicher fühlt. Falls also der Anruf kommt, müssten wir das Interview bitte kurz mal unterbrechen...

DONNA: Nicht immer ganz einfach, die Kinder loszulassen, oder?
Désirée Nosbusch: Puh, ich bin darin echt schlecht. Aber ich versuche, mir das nicht anmerken zu lassen. Ich weiß ja auch, dass es wichtig ist, den Nachwuchs aus dem Nest zu stupsen. Mein Sohn Lennon lebt und arbeitet als Musiker in L.A., und Luka war die vergangenen drei Jahre im Internat. Wir haben uns also schon daran gewöhnt, nicht täglich zusammen zu sein. Trotzdem fehlen mir die beiden wahnsinnig.

Sie leben seit einigen Jahren wieder in Luxemburg. Hatten Sie Heimweh nach Ihrer alten Heimat?
Tatsächlich fühlt es sich gut an, zu seinen Wurzeln zurückzukehren. Luxemburg ist übersichtlich, das gibt mir eine gewisse Ruhe. Außerdem befindet sich hier meine Produktionsfirma. Vor allem aber möchte ich bei meiner Mutter sein, die seit dem Tod meines Vaters vor sechs Jahren alleine lebt. Es ist mir sehr wichtig, möglichst viel Zeit mit ihr zu verbringen: Ich möchte sie noch mal richtig kennenlernen.

Wie meinen Sie das?
Meine Kindheit war nicht das, was man unter „normal“ versteht. Eigentlich war sie mit zwölf Jahren beendet.

Fühlten Sie sich ungeliebt?
Gar nicht. Aber meine Eltern waren sehr damit beschäftigt, sich ein Leben aufzubauen, man hatte nicht viel Aufmerksamkeit füreinander – auch nicht viele Worte. Mein Vater war als Lkw-Fahrer kaum zu Hause, und meine Mutter rackerte sich als Schneiderin ab. Ich war früh auf mich allein gestellt und kümmerte mich um meinen kleinen Bruder. Dazu kam, dass die Umgebung, in der wir lebten – erst eine Kleinstadt, später ein Dorf –, sehr spießig und beurteilend war. Gerade als Kinder einer „Ausländerin“ bekam man das zu spüren.

Ihre Mutter stammt aus Italien.
Ja, das wurde äußerst kritisch beäugt. Mobbing und Diskriminierung aufgrund der Herkunft sind mir also leider nicht fremd.

Wie sind Sie damit umgegangen?
Ich habe mich zurückgezogen. Richtig frei fühlte ich mich nur, wenn wir in den Ferien bei unserer Großfamilie in Italien waren. Dort war ich glücklich, weil ich spürte: Hier leben die Menschen aus dem Bauch heraus – so wie ich.

Haben Ihre Eltern Sie nicht auffangen können?
Über Sorgen, wie ich sie hatte, redeten wir in unserer Familie nicht. Ich hätte viel zu viel Angst gehabt, meine Eltern damit zu belasten.

Was war mit Freundinnen oder Mitschülern?
Ich war immer eher Einzelgängerin. Viele Dinge, für die sich die anderen interessierten, erschienen mir seltsam, Cliquen mochte ich nicht. Ich habe mir immer ein bisschen mehr, vielleicht sogar zu viele Gedanken übers Leben gemacht. Vielleicht war ich nicht so leicht und locker wie andere. Ich wollte einfach möglichst schnell erwachsen werden und raus in die Welt.

Kaum hatten Sie im Alter von zwölf beim Radio angefangen, wurden Sie eine Art Kinderstar.
Wir waren damals von der Stadt aufs Land gezogen und blieben zum ersten Mal im Sommer in Luxemburg. Ich saß gelangweilt in meinem neuen Zimmer rum, hörte Radio und stieß auf ein deutschsprachiges Programm, bei dem Kinder von ihren Ferienerlebnissen berichteten. Daraufhin wollte ich unbedingt mal einen Radiosender von innen anschauen und habe einfach dort angerufen.

Und die haben gesagt: „Klar, komm vorbei“?
Genau so. Es hieß zwar, dass die Aktion mit den Schulkindern beendet sei, aber ich könne trotzdem gerne mal mit einer Freundin zum Kinderprogramm kommen. Meine Oma hat uns hingefahren, wir bekamen eine Führung durchs Funkhaus, durften am Mikrofon ein bisschen plaudern, und als ich gehen musste, sollte ich meine Nummer hinterlassen. Zwei Wochen später fragte der Sender an, ob ich Pierre Brice interviewen wolle, weil ich doch Französisch spreche. Natürlich wollte ich!

Waren Sie nicht super aufgeregt, ein Interview mit einem so berühmten Schauspieler zu führen?
Darüber habe ich mir keinen Kopf gemacht. Als erklärter Winnetou-Fan hatte ich alles über ihn gelesen, jeden Film geguckt – und dementsprechend viele Fragen.

Das war der Beginn Ihrer Karriere.
Frank Elstner fragte mich nach dem Interview, ob ich aktives Mitglied im Kinderprogramm werden wollte. An schulfreien Nachmittagen war ich immer im Funkhaus. Nach einem halben Jahr hatte ich mit „Hits von der Schulbank“ eine eigene Sendung, und dann verselbstständigte sich alles. Ich stand plötzlich bei der Berliner Funkausstellung gemeinsam mit Anke Engelke vor einem Riesenpublikum und wurde gehypt.

Was Ihnen geschmeichelt hat?
Natürlich. Dass sich Menschen für das interessierten, was ich zu sagen hatte, hat meinem Selbstwertgefühl schon sehr gut getan. Ich spürte, dass die Gedanken, die ich hatte, doch nicht so verrückt oder aus der Luft gegriffen waren, wie ich immer gefürchtet hatte.

Hat das was in der Schule geändert?
Ich bin nach der mittleren Reife abgegangen, weil die Schule mir das nahelegte. Ich würde zu viel Unruhe und Wirbel in die Klasse bringen, ständig müsse man wegen mir Arbeiten verschieben. Froh war ich darüber nicht. Erstens hatte ich wirklich gute Noten und zweitens wollte ich unbedingt studieren. Mein Ziel war, nach dem Abitur nach Paris zu gehen und an der Sorbonne Jura zu studieren. Ich wäre gerne Anwältin geworden.

Warum haben Sie sich nicht durchgesetzt und das Moderieren erst einmal bleiben lassen?
Ich war schon zu sehr drin und dachte, das nehme ich jetzt mit, sehe es als Lebenserfahrung, lerne die Welt und interessante Menschen kennen und gehe dann zurück und mache den Abschluss.

Wie haben Ihre Eltern reagiert?
Sie waren enttäuscht, haben mich aber machen lassen.

Eine gute Entscheidung?
Bedingt. Denn in meiner jugendlichen Selbstüberschätzung bin ich an manche Dinge viel zu naiv herangegangen. Ich wurde übers Ohr gehauen, man hielt Absprachen nicht ein, es gab niemanden, der mich beriet oder vor Dummheiten bewahrte. Den Film „Fan“ etwa ...

...in dem Sie nackt auftraten und der heftige Kritik auslöste…
…hätte ich niemals drehen dürfen. Das ZDF hat mich danach fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Von einem Tag zum anderen wurde ich vom Everybody’s Darling zur Persona non grata. So etwas tut schon verdammt weh. Und obwohl ich gerade mal 17 Jahre alt war, war mir klar: Ich muss mich da jetzt ganz schnell rausnehmen. Also habe ich meine Tasche gepackt und bin ab nach New York.

Was war Ihr Plan?
Ich wollte eine gute Schauspielausbildung absolvieren. Das Handwerk lernen. Ich habe diese Chance bekommen – eine tolle Zeit.

Wie haben Sie sich finanziert?
Verraten Sie es nicht weiter: Ich habe illegal gekellnert. Im „White Horse“. Außerdem noch legal für „Pop Rocky“ eine monatliche Kolumne geschrieben und für den NDR eine Radiosendung gemacht.

Gespart hatten Sie ja sicherlich auch einiges.
Von wegen, da war nichts. Ich habe bei RTL zwei Jahre umsonst gearbeitet. Bis mein Vater fragte, ob wir wenigstens Spritgeld haben könnten. Und beim ZDF gab’s vielleicht mal 500 Mark für eine Sendung. 

Wie lange sind Sie in New York geblieben?
Dreieinhalb Jahre – mit einer kurzen Unterbrechung für den Grand Prix. Ich wollte die Moderation eigentlich absagen, aber René Steichen, ein von mir sehr verehrter Regisseur, überredete mich, obwohl ich wieder kein Geld dafür bekommen sollte.

Dieser Freundschaftsdienst erwies sich letztlich als Glückstreffer.
Absolut. Ich zog den Abend einfach so durch, wie es mir in den Sinn kam. Irgendwas muss ich wohl richtig gemacht haben. Jedenfalls überschlug sich anschließend ganz Europa vor Begeisterung.

Everybody’s Darling war zurück.
Ja, und diesmal war ich klüger. Ich habe nur noch Sachen angenommen, die mir guttaten. Zwischendurch tauchte ich immer wieder in der Anonymität New Yorks ab. Als ganz normale Studentin.

Welche Rolle spielte die Liebe damals in Ihrem Leben?
Gar keine. Leider.

Aber waren Sie nicht mit Georg Bossert, Ihrem 26 Jahre älteren Manager, liiert?
Zu dieser Geschichte möchte ich nichts sagen, weil der Mensch, von dem wir reden, nicht mehr lebt. Nur so viel: Diese Beziehung war nicht das, wonach sie nach außen hin aussah. Sie war ... nichts Schönes. Nichts, was ich irgendjemandem auf der Welt wünschen würde. Es hat mich viele Therapiestunden gekostet, damit klarzukommen.

Die echte Liebe haben Sie zum Glück aber doch noch gefunden.
Ja, mit 25. Das erste Mal habe ich Harald in Duisburg bei einer Charity-Veranstaltung gesehen. Er hatte eine LP für die SOS-Kinderdörfer produziert. Ich wusste sofort: „Das wird der Vater meiner Kinder!“ Ein Jahr später trafen wir uns wieder. Ich musste für eine kleine Serienrolle ein Lied in seinem Studio aufnehmen. Ich war so unglaublich verknallt, dass ich mich plötzlich die Worte sagen hörte: „Für dich würde ich mein Leben ändern.“

Wie hat er reagiert?
Er sagte: „Ja, dann sollten wir das tun.“ Ein halbes Jahr später waren wir verheiratet.

Schöne Liebesgeschichte.
Nur leider ohne Happy End.

Was ist passiert?
Wie das manchmal so läuft: Irgendwie kam uns das Leben dazwischen. Aber auch, wenn unsere Beziehung zerbrochen ist und Harald inzwischen eine neue Familie hat: Ich werde ihn immer lieben. Und natürlich sind wir durch unsere beiden Kinder auf ewig verbunden.

Auch Sie hatten neue Beziehungen. Was haben Sie über die Liebe gelernt?
Dass man vieles gelassener sehen muss. Wenn man jung ist, schleichen sich in eine Partnerschaft oft Machtkämpfe ein: Du hast dieses ... dann will ich dafür aber auch jenes... Das ist kontraproduktiv.

Gibt es momentan einen Mann in Ihrem Leben?
Nein, ich bin seit fast vier Jahren Single und sehr glücklich damit – schließlich gibt es in meinem Leben ganz viel Liebe. Ich bin offen für neue Begegnungen, ich bin nur nicht bereit, aus Angst vor dem Alleinsein Abstriche in meinen Erwartungen zu machen. So etwas habe ich früher getan, und ich werde es nie, nie, nie wieder wiederholen.

Sie feierten im Januar 2017 Ihren 52. Geburtstag und sind Markenbotschafterin für eine deutsche Kosmetiklinie.
Über die Anfrage habe ich mich sehr gefreut. Früher wurden Frauen über 50 ja kaum mehr wahrgenommen, aber das ändert sich endlich.

Vielleicht, weil sich auch unsere eigene Haltung zum Alter ändert.
Unbedingt. Meinen Fünfzigsten habe ich mit 20 Freundinnen in Marokko gefeiert, jede von ihnen ist großartig! Innerlich wie äußerlich!

Trotzdem hadern viele mit Falten, Pfunden, schlafferer Haut. Sie nicht?
Na, das wäre gelogen. Ich habe mir über den Sommer fast sieben Kilo angefuttert. Finde ich das toll? Nee! Also werde ich trainieren, um wieder ein paar davon loszuwerden. Aber mein Aussehen ist nicht mein Lebensinhalt. Das wäre ja auch schlimm. Viel wichtiger finde ich es, achtsam mit sich selbst umzugehen.

Wie schaffen Sie das?
Jobmäßig mache ich nur noch Projekte, die mein Herz berühren. Beispielsweise ist gerade meine erste eigene Filmproduktion in den Kinos: „Souvenir“ mit der grandiosen Isabelle Huppert. Und meine neue Talkshow läuft demnächst im Fernsehen: „The Story of my Life“.

Und privat?
Bin ich wie viele andere auf der Suche nach einer gewissen inneren Ruhe. Damit tue ich mich allerdings noch schwer. Für Meditation arbeitet mein Kopf zu viel. Auch Yoga ist nicht mein Ding, Spinning oder Joggen liegen mir schon eher.

Mit Spiritualität haben Sie also eher nichts am Hut?
Doch, das ist ein Thema, das mich interessiert. Mich fasziniert zum Beispiel der indische Philosoph Jiddu Krishnamurti. Wir alle – ich nehme mich nicht aus – urteilen gerne über andere, statt uns selbst kritisch zu hinterfragen. Ich arbeite daran, mein Ego zurück zu nehmen und dankbar für jeden Moment zu sein.

Sie sind also ein Jetzt-Mensch?
Heute ja, denn viel zu lange habe ich nach dem Wenn-dann-Prinzip gelebt. Was aber, wenn sich das Dann nicht ergibt? Wir sollten die Gegenwart feiern – gemeinsam mit den Menschen, die uns nahestehen.


Interview: Gaby Ullmann

Désirée Nosbuschs Lebensgefühl: gelassen und dankbar – man sieht es ihr an.
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Désirée Nosbuschs Lebensgefühl: gelassen und dankbar – man sieht es ihr an.
Foto: Tristar Media, Getty Images