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Ketogene Ernährung: Wie gesund ist die Low Carb High Fat-Diät?

Aufgeschnittene Avocado-Hälften gefüllt mit einem Ei und Lachs auch einem Teller. | © ThitareeSarmkasat, Getty Images
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Avocado, Wildlachs und Ei: Diese Lebensmittel dürfen bei einer Ernährung nach dem Low Carb High Fat-Prinzip auf dem Teller landen.

Kaum Kohlenhydrate, dafür viel Fett: Die Low Carb High Fat-Ernährung soll beim Abnehmen helfen und den Stoffwechsel ankurbeln. Ernährungsexpertin Kirsten Brüning erklärt im Interview, wie gesund dieses Ernährungsprinzip wirklich ist – und was Frauen 40plus dabei beachten sollten.

Bewusst auf Kohlenhydrate verzichten, besonders viel gesundes Fett zu sich nehmen – das ist die Basis der Low Carb High Fat Diät bzw. Ernährung (LCHF). Bei dieser Sonderform der Low Carb-Diät werden kohlenhydratreiche Lebensmittel wie Nudeln, Kartoffeln, Reis oder Zucker deutlich reduziert und die tägliche Fettzufuhr erhöht, um das Fettsäureprofil des Körpers zu verbessern. Viel Gemüse, etwas Obst und eine gemäßigte Eiweißzufuhr sind ebenfalls Bestandteil einer gesunden Ernährung nach dem LCHF-Prinzip.

Wie gesund aber ist diese fettreiche Ernährungsform mit 40plus – und ist es empfehlenswert, die LCHF-Diät über einen längeren Zeitraum durchzuführen? Ernährungsexpertin Kirsten Brüning klärt im Interview mit DONNA Online die wichtigsten Fragen:

DONNA Online: Wer sich nach dem „Low Carb High Fat“-Prinzip ernährt, verzichtet weitgehend auf Kohlenhydrate und nimmt stattdessen viele (gesunde) Fette zu sich. Für wen ist diese Form der Ernährung geeignet?
Kirsten Brüning: Geeignet ist diese Ernährungsweise für überwiegend sitzende Personen mit einem geringen Aktivitätslevel, was in etwa leichtem Sport, ein- bis zweimal pro Woche, entspricht. Die hohe Zufuhr von Gemüse, Eiweiß und gesunden Fetten sättigt schneller und hält länger satt. So ergibt sich die Möglichkeit, das Gewicht leichter zu regulieren und einen positiven Effekt auf die Insulinwerte zu erzielen, die so niedrig gehalten werden können.

Sehr sportlichen Menschen ist die Ernährung nach dem LCHF-Prinzip in ihrer Extremform dagegen nicht zu empfehlen: Bei hoher körperlicher Belastung, etwa bei Intensivsportarten wie Spielsport (Fußball, Basketball, etc.), hat der Körper nicht genug Energie zur Verfügung. Man muss aber differenzieren: „Low Carb“ kann einen Anteil von 20 Prozent Kohlenhydraten bedeuten, aber auch einen Anteil von 40 Prozent. Bei einer Aufnahme von 40 Prozent Kohlenhydraten befindet man sich beinahe schon in einem normalen Mischkostverhältnis, das einen Kohlenhydratanteil von 50 Prozent vorsieht. Eine Ausnahme bildet Ausdauersport, der auf  die Fettverbrennung abzielt. Eine gezielte kohlenhydratarme Ernährung kann dazu führen, dass die Fettdepots noch effektiver angegriffen werden.

In den Wechseljahren und nach der Menopause verändert sich der weibliche Stoffwechsel. Gibt es für Frauen 40plus Einschränkungen bei der LCHF-Ernährungsweise oder sollten sie etwas besonderes beachten?
Hierbei spielt das Aktivitätspotential jeder Frau eine wichtige Rolle: 40plus geht die Muskulatur zurück, der Körper setzt Fett leichter an. Wenig Bewegung und viele Kohlenhydrate können dann durchaus zu einer Zunahme von Fett gerade an Bauch, Oberschenkel und Po führen. Wichtig ist dann, die Energiebilanz im Blick zu behalten. Mit einer LCHF-Ernährung ist das gut möglich. Frauen 40plus sollten generell auf mehr Gemüse setzen: Ich empfehle täglich mindestens drei Handvoll. So wird man mit weniger Kalorien und Kohlenhydraten schneller und langanhaltend satt.

In den Wechseljahren ist ein ausgeglichener Säure-Basen-Haushalt besonders wichtig. Ist das mit einer LCHF-Ernährung vereinbar?
Für einen ausgeglichenen Säure-Basen-Haushalt wählt man bestimmte Gemüsesorten, Obst, Kartoffeln, natursaure Milchprodukte und mineralstoffreiches Wasser als Grundlage. Im Bereich der LCHF-Ernährung kann es durch die Aufnahme von zu viel Eiweiß in Verbindung mit Fett passieren, dass sich die Säure-Basen-Balance in eine eher saure Ernährung verschiebt. Dieses Ungleichgewicht sollte man durch entsprechend größere Mengen Gemüse ausgleichen.

Wie sieht es mit der Eiweißzufuhr aus? Gibt es hier einen erhöhten Bedarf?
Die Kombination aus Eiweiß, viel Gemüse und essentiellen Fettsäuren ist eine ideale Form der bewussten Ernährung. Nicht-Sportler haben aber keinen erhöhten Eiweißbedarf: Mehr als ein Gramm pro Kilogramm Körpergewicht ist nicht nötig. Bei einer strikten Low Carb High Fat-Ernährung wird man sicherlich mehr Eiweiß zu sich nehmen – solange man jedoch die Grenze von 1,8 bis zwei Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht nicht überschreitet, hat man keine Nebenwirkungen zu befürchten. Übertreiben sollte man die Aufnahme von Eiweiß – gerade mit über 40 – aber nicht, um die Leber nicht zu überlasten. Generell sollte eine eiweißreiche Ernährung immer durch viel Flüssigkeit ergänzt werden.

Können Veganer sich nach dem LCHF-Prinzip ernähren?
Besonders Veganer sollten aufpassen, nicht zu wenig Energie zu sich zu nehmen. Gemüse, Eiweiß und Fett sättigen durch Ballaststoffe sehr gut, wodurch es hier schon zu einem (teils gewollten) Energiedefizit kommen kann. Vegetarische Eiweißquellen wie Bohnen, Erbsen und Linsen fallen bei einer strengen Low Carb-Diät jedoch weg, weshalb eine strikte Form der Low Carb High Fat-Ernährung für Veganer kaum geeignet ist.

 
Porträtaufnahme von Kirsten Brüning. | © Privat
Kirsten Brüning ist seit 1992 als Diplom-Oecotrophologin in der Ernährungsberatung tätig und leitet seit 2002 eine Praxis für Ernährungsberatung und -therapie in Frankfurt am Main.
Foto: Privat

Gibt es Risiken bei der Ernährung nach dem LCHF-Prinzip?
Obwohl der Körper im Ketose-Zustand der Low Carb High Fat-Ernährung sogenannte Keton-Körper für das Gehirn nutzen kann, fehlen ihm gute und mineralstoffreiche Quellen, die man so hauptsächlich in Kohlenhydratlieferanten wie Kartoffeln oder Brot findet. Wenn man einen Überschuss an gesättigten Fettsäuren, zum Beispiel in Form von Frittierfett oder hoch erhitztem Kokosfett, zu sich nimmt, erhöhen sich im schlimmsten Fall die Blutfettwerte.

Um die Zufuhr an gesättigten Fettsäuren zu reduzieren und den Cholesterinspiegel gering zu halten, eignen sich Nüsse, hochwertige Öle und (Wild-)Fisch. Fleisch sollte man im Sinne der Paleo-Diät zu sich nehmen und dabei auf Bioqualität achten. Der Verzehr von zu viel Fleisch kann allerdings die Harnsäurewerte ungünstig erhöhen.

Kann man bei der LCHF-Ernährungsweise Fehler machen und sollte man sich während dieser Zeit ärztlich beaufsichtigen lassen?
Der Fehler liegt in der erhöhten Aufnahme gesättigter Fette und Proteine. Wichtig ist hierbei, die Blutfett- und Leberwerte regelmäßig ärztlich prüfen zu lassen. Versteckte Fette und sehr viel Eiweiß können diese Werte verschlechtern.

Ist es trotz einer verringerten Kohlenhydrataufnahme möglich, durch die hohe Fettzufuhr bei der LCHF-Ernährungsweise zuzunehmen?
Nehme ich sehr viel Energie in Form von Fett zu mir, kann es schnell passieren, den körpereigenen Bedarf zu überschreiten und dadurch zuzunehmen. Eine Tüte Nüsse, also 200 Gramm, liefern beispielsweise 1300 Kalorien. Wichtig ist es, die Energiebilanz im Blick zu haben.

Viele Menschen bekommen Kreislaufprobleme, wenn sie zu wenig Kohlenhydrate zu sich nehmen. Kann das auch bei der LCHF-Ernährung passieren?
Gehirn und Nervenzellen lieben Kohlenhydrate. Gerade empfindliche Personen geraten bei einer LCHF-Ernährung schnell in einen unangenehmen Bereich der Unterzuckerung. Eine leichte Unterzuckerung herrscht aufgrund fehlender Kohlenhydrate die ganze Zeit. Auf lange Sicht gewöhnt sich Körper zwar an die Auswirkungen, Kreislaufprobleme können dennoch vorkommen.

Einige Ärzte raten davon ab, die ketogene Lebensweise dauerhaft beizubehalten, da das Gehirn „unzufrieden“ und der positive Effekt umgekehrt wird. Stimmt das?
Um einen umgekehrten positiven Effekt – und damit eine Zunahme des Körpergewichts – muss man sich theoretisch keine Gedanken machen. Dennoch kommt es hier auf die Kalorienbilanz an: Ist die Energiezufuhr wesentlich höher als der Verbrauch, nimmt man immer zu.

Das Gehirn funktioniert mit Kohlenhydraten effektiver. Getreideprodukte, Kartoffeln und Obst liefern gleichzeitig auch B-Vitamine und Mineralstoffe, die für Gehirn- und Nervenfunktionen essentiell sind. Die ketogene Ernährungsweise eignet sich zum Abnehmen, ist meines Erachtens aber zu strikt. Ich persönlich würde eine Ernährung nach dem Low Carb High Fat-Prinzip von medizinischer Seite nicht empfehlen.

Sinnvoller und gesünder ist es, auf Zucker, Alkohol und gesättigte Fettsäuren zu verzichten. Mit einer leichten Reduktion der gesunden Kohlenhydrate auf 40 Prozent kann man bereits abnehmen. Qualitativ hochwertige, ballaststoffreiche Kohlenhydrate wie Haferflocken, Kartoffeln, Vollgetreideprodukte, Quinoa und Amaranth sollten nicht komplett aus dem Speiseplan ausgeklammert werden. Ebenso wichtig ist es, ausreichende Mengen Obst, also zwei Handvoll pro Tag, zu sich zu nehmen. Hungern dagegen bringt nichts, um langfristig und gesund abzunehmen.