Portrait

Schauspielerin Ulrike Kriener im Lebenslinien-Interview

Schauspielerin Ulrike Kriener  | © Getty Images | Jan Pitman
© Getty Images | Jan Pitman
Schauspielerin Ulrike Kriener im Lebenslinien-Interview

Ulrike Kriener ist mit 17 von zu Hause getürmt, weil sie ins wilde Leben wollte. Sie wurde Schauspielerin, weil es gerade passte. Und als Hollywood rief, wollte sie nicht. Gespräch mit einer Unbestechlichen.

DONNA: Frau Kriener, Sie sind an Heiligabend geboren – war das eine besondere Fügung für Ihr Leben?
Ulrike Kriener: Erst mal war es nachteilig, weil ich nie Kinder zum Geburtstag einladen konnte. Aber mein Vater hat mich immer ein Sonntagskind genannt, auch wenn ich gar nicht an einem Sonntag geboren bin. Das hat eher damit zu tun, dass er zwischen sich und mir eine Seelenverwandtschaft vermutete: immer das Beste von anderen zu denken, vertrauensvoll zu sein, die schönen Dinge des Lebens zu sehen. Anfälligkeit für Depressionen oder Schwermut gehörten ganz klar nicht zu unserem Naturell.

Sie sagten mal, Sie wollten als junges Mädchen alles werden, „nur nicht Hausfrau“. War die Beziehung zu Ihrer Mutter nicht so innig?
Doch, schon. Aber meine Mutter war tatsächlich Hausfrau und konnte sich für mich maximal eine Laufbahn als Chefsekretärin vorstellen. Im Kostümchen, aber immer weisungsgebunden durch einen Mann. Mich interessierte viel mehr die Welt meines Vaters, der sich zum Betriebsführer im Bergbau hochgearbeitet hat. Als ich neun Jahre alt war, hat er mir gezeigt, wie man verstopfte Abflüsse frei kriegt und Steckdosen anbringt. Wenn bei mir heute Jalousien repariert werden müssen oder die Elektrik nicht funktioniert, wundern sich die Handwerker, dass die Hausfrau mit auf dem Boden herumrobbt. Ich habe großen Spaß dran. Meine Mutter hätte früher keine Glühbirne eingeschraubt, weil sie fand, das sei Männersache.

Mit 17 schmissen Sie die Schule, sind aus dem Ruhrpott abgehauen nach Hamburg. Woher kam die Rebellion?
Meine Eltern hatten sehr klare Vorstellungen davon, wie ich leben sollte. Das fühlte sich eng an. Ich gehörte zur Schülergeneration der 68er, habe in den Nachrichten gesehen, was in Berlin oder Frankfurt los war. Zu diesen langhaarigen Parka- und Cordhosenträgern wollte ich dazugehören.

Dann haben Sie aber doch brav in Hamburg Ihr Abitur nachgeholt.
Ich war einem jungen Mann nach Hamburg gefolgt, mit dem ich dann wieder gemeinsam aufs Gymnasium ging. Für meine Eltern war das eine schwere Zeit. Sie haben mich mit großer Angst gehen lassen. Später sind wir wieder ins Reine gekommen. Sie haben gesehen: Die packt ihr Leben schon, die Saat ist aufgegangen.

Wann war klar, dass Sie Schauspielerin werden würden?
Mein zweiter Freund Stefan, ein Bassist, mit dem ich heute noch befreundet bin, eröffnete mir die Welt der Kunst. Das Zeichnen, die Malerei und vor allem die Musik. Hamburg hatte damals eine unglaubliche Musikszene. Mittendrin ich, das Mädchen aus dem Ruhrpott, das sich begeistert in all das Neue stürzte. Als eine Freundin die Aufnahmeprüfung an einer Hamburger Schauspielschule machte, schloss ich mich einfach an. Ich bin in diesen Beruf mehr oder weniger reingestolpert.

Schon während der Schauspielschule drehten Sie Filme, spielten Theater. Dann kamen Doris Dörrie und der Kino-Welterfolg „Männer“ mit Heiner Lauterbach und Uwe Ochsenknecht. Was haben Sie der Regisseurin zu verdanken?
Zum einen natürlich das Geschenk des großen Erfolgs von „Männer“. Zum anderen unsere Freundschaft. Nach meiner Zeit in Freiburg bin ich zu Doris Dörrie nach München gezogen und wir haben drei tolle Jahre in einer WG gelebt.

Heiner Lauterbach spielte den Yuppie, Uwe Ochsenknecht den Hippie. Welcher Typ Mann lag Ihnen damals näher?
Der Hippie natürlich! Wobei ich heute zu Heiner noch den engeren Draht habe, einfach weil er auch in München lebt und wir neulich miteinander gearbeitet haben. Es ist immer eine Riesenfreude, wenn wir uns sehen.

Der Film „Männer“ wurde in 43 Länder verkauft, sind Sie damals abgehoben?
Nein, so bin ich nicht gestrickt. Das hat vielleicht mit meinem Ruhrpott-Naturell zu tun. Als der riesige Erfolg von „Männer“ einsetzte, habe ich mich noch bei einem Freiburger Radiosender gerechtfertigt dafür, dass ich in so einem „frauenfeindlichen“ Film so eine angepasste kleine Maus spielen würde.

Hat Hollywood nicht angeklopft?
Aber ja. Eine bekannte amerikanische Agentur wollte meine Interessen vertreten. Ich dachte zuerst, das sei ein Scherz. Aber Doris drängte mich, denen zu antworten. Dann schrieb ich zurück, dass ich schon von der Künstleragentur des deutschen Arbeitsamtes vertreten werden würde. Die Amerikaner waren geduldig und fragten mich noch mal nach Fotos. Ich schickte ihnen also einen Packen Fotos von mir, unter anderem auch als Clown mit Zahnlücke und Pferdeschwänzchen im Freiburger Straßentheater. Danach habe ich nie wieder was aus Hollywood gehört.

Hat Sie das bekümmert?
Ach was, das ist doch auch eine schöne Geschichte. Ich habe auch Titelbild-Angebote von Magazinen abgelehnt, weil ich dachte: „Hey, ich bin kein Model, was soll das? Ich will mit meiner Arbeit punkten, nicht weil ich blond und ganz hübsch bin!“ Heute würde man das dumm nennen. Aber ich war so. Ich war ganz bei mir – ein bisschen störrisch und nicht so leicht einzunehmen für das, was man Erfolg nennt. Ich stand dem immer etwas misstrauisch und reserviert gegenüber.

Mit dieser Haltung sind Sie eine der meistbeschäftigten Schauspielerinnen Deutschlands und zur beliebten „Kommissarin Lucas“ geworden. Fürchteten Sie, dass es auch mal nicht so gut läuft?
Natürlich ist es eine große Beruhigung zu wissen, im nächsten Jahr kommen wieder zwei Folgen „Lucas“. Viele Kolleginnen müssen auch unliebsame Rollen annehmen, damit der Kamin raucht. Aber natürlich kenne ich auch Phasen mit Existenzängsten, das gehört zu unserem Beruf. Ich habe mich darauf besonnen, nicht weinend in die Tischkante zu beißen und zu warten. Sondern auch selbst aktiv zu werden – wie etwa Lesungen zu halten. Heute ist mir das einst aus der Not Geborene eine Riesenfreude geworden. Es ist schön, durchs Land zu fahren und vorzulesen. Ich würde immer etwas finden, was ich machen kann.

Plagten Sie je Zweifel vor der Kamera? Zu versagen oder dem Regisseur nicht zu genügen?
Natürlich! Zuletzt bei den „Hartmanns“: Da spiele ich eine grauhaarige Frau mit einer Extrovertiertheit, die ich nicht in mir trage. Da hatte ich Mordsmuffensausen. Aber andererseits ist das normal. So eine Angst ist ja auch fordernd und inspirierend.

Text: Marita Schärtl