Liebe & Partnerschaft

Nach 30 Jahren die Jugendliebe treffen und sich sofort wieder verlieben

Paar schaut sich liebevoll in die Augen. | © istockphoto.com, golero
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Nach Jahren die Jugendliebe wiedertreffen.

Sie sind eigentlich glücklich verheiratet und haben eine eigene Familie gegründet. Doch dann begegnen Sie nach Jahrzehnten Ihrer Jugendliebe – und die alten Gefühle sind wieder da. In ihrer Kolumne zeigt Diplom-Psychologin und Business/Personal Coach Beate Roland Wege aus der emotionalen Zwickmühle.

Was das für die jetzigen Familien bedeutet und was man darf und tun sollte.

„Es war wie bei Rosamunde Pilcher“, berichtet mir Karin (53) bei ihrem ersten Besuch. „Nur wahrscheinlich ohne Happy End“, fügte sie hinzu. Was war passiert?

Karin hat vor einigen Monaten auf einer großen Geburtstagsfeier völlig unerwartet ihre Jugendliebe Frank wiedergetroffen. Beide waren vor über 30 Jahren einmal sehr ineinander verliebt gewesen. Aber bedingt durch Ausbildung und Beruf an verschiedenen Orten ist aus ihnen dann doch nicht das Paar fürs Leben geworden. Beide haben andere Partner geheiratet und Familien gegründet, Existenzen aufgebaut und sich komplett aus den Augen verloren. Karin beschreibt ihre Ehe bis heute als gut, der 25-jährige erwachsene Sohn ist seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Frank verschlug es der Liebe wegen in den Süden Deutschlands, wo er in den Baustoffhandel seiner Schwiegereltern einstieg und diesen bis heute sehr erfolgreich führt. Frank hat zwei Töchter in ähnlichem Alter wie Karins Sohn.

Karin und Frank haben sich auf der Geburtstagsfeier auf der Stelle wieder ineinander verliebt. In der folgenden Zeit haben sie sich dann heimlich getroffen, immer und immer wieder. Sie konnten einfach nicht voneinander lassen und beide nahmen Lügen auf sich, um diese Treffen zu ermöglichen. Schließlich wurde Karins schlechtes Gewissen ihrem Mann gegenüber so groß, dass sie Frank um eine Pause bat. „Um zu schauen, ob es mir gelingt, wieder die Ehefrau zu sein, die ich die ganzen Jahre war und um wieder in den Spiegel schauen zu können“, wie sie es ausdrückte. Diese Pause hielt ganze 17 Tage. Karin sitzt ziemlich verzweifelt vor mir.

Und jetzt? Wollen beide alles in Frage stellen und vor allem, dürfen sie das?

Ich frage Karin als erstes: „Angenommen, Sie könnten sich für Ihre Zukunft etwas wünschen, was hätten Sie dann gerne?“„Ich würde mir nichts lieber wünschen, als mit Frank die restliche Zeit meines Lebens zu verbringen, aber habe ich das Recht, meinen Mann so zu verletzen und letztlich zwei Familien zu zerstören? Ich glaube, ich könnte das weder meinem Mann, noch meinem Sohn antun“.

Ich entscheide mich für eine Coaching-Methode, die bei schweren Dilemmata eingesetzt wird (wenn jemand so richtig in der Zwickmühle ist), damit Karin die Sackgasse, in der sie sich gedanklich befindet, versuchsweise verlassen kann. Ich schaffe vier Szenarien:

  1. bei meinem Mann bleiben

  2. ein Leben mit Frank führen

  3. beides

  4. keines

Ich bitte Karin, sich in Position 1 hineinzuversetzen und mir ihre Gefühle zu schildern. „Wenn ich bei meinem Mann bleibe, dann habe ich das Gefühl, verantwortlich zu handeln – auch meinem Sohn gegenüber. Dann könnte man mir nicht nachsagen, ich hätte egoistisch gehandelt“. Ich gehe mit Karin auf eine kleine Visionsreise und lasse mir schildern, wie ihr Leben unter diesen Umständen wohl in fünf Jahren aussehen würde. Die Vorstellung, bei ihrem Mann zu bleiben, endet bei ihr in der Erkenntnis, dass dieses Leben dann wohl mehr Pflicht als Lust bedeutet und am Ende ein Gefühl der Leere bleibt. Ich lasse mir als nächstes das gedachte Leben mit Frank schildern.

Dann als nächstes „beides“. Karin sagt: „Das geht doch nicht“. „Doch“ sage ich, „das ist das Leben, das Sie zur Zeit führen“. Karin wird völlig hektisch „Nein, das kann ich nicht auf Dauer, das macht mich völlig fertig, deshalb bin ich ja hier, um da klarer zu sehen“. Hier brauche ich Karin gar nicht erst auf die Visionsreise zu führen, ihr ist völlig klar, dass dieser Zustand der Zerrissenheit sie letztlich völlig fertig machen würde. „Eigentlich müsste ich schnellstmöglich mit meinem Mann sprechen und ihm meine Zerrissenheit schildern. Wenn ich ihm irgendwie begreiflich machen könnte, dass mein Weggang nicht in seiner Person begründet liegt und dass ich sehr dankbar bin für das bisherige Leben mit ihm und ich das nur mache, weil ich mich sehr verliebt habe, vielleicht wäre er dann ja weniger verletzt und könnte es besser ertragen“.

Zum Schluss bleibt noch Position 4 „Keines“. Karin bricht spontan in Tränen aus. „Das wäre ganz furchtbar, dann hätte ich weder meine Familie noch Frank, das wäre das Schlimmste überhaupt.“ Immer wenn es etwas gibt, was noch schlimmer ist als das Schlimmste, relativiert sich das weniger Schlimme und wird sodann als weniger dramatisch wahrgenommen. Das ist bei Karin spontan zu beobachten. Sie empfindet ihre Lage nicht mehr als ganz so aussichtslos und freundet sich zumindest ansatzweise mit dem Gedanken an, mit ihrem Mann zu sprechen, um einen Weg zu finden, bei dem die gegenseitige Verletzung so gering wie möglich gehalten wird.

Ich erlebe es häufiger, dass Menschen sich coachen lassen, aber tief im Inneren schon wissen, wo die Reise hingeht. Sie brauchen das Coaching nur zur Bestätigung ihrer eigenen Gedanken und Gefühle.

Extra-Tipp: Wer längere Zeit gegen seine ureigenen Gefühle und Wünsche handelt, sie unterdrückt oder verdrängt, der kann in seinem Leben nicht glücklich werden. Nicht einmal mehr zufrieden. Und was vielleicht noch schwerer wiegt: Er kann auch andere nicht glücklich machen. Karin sagte mir, dass es genau das gewesen wäre, was sie letztlich darin bestärkt hätte, ihren Weg mit Frank zu versuchen.